Diskussion nicht öffentlich

■ Wehrschloß-Prozeß ausgesetzt / Dokumentation bleibt unter Verschluß

Im sogenannten „Wehrschloß-Prozeß“, in dem sich drei Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren vor dem Jugendrichter dafür verantworten müssen, daß sie eine 15jährige Schülerin im März diesen Jahres stundenlang gefoltert haben sollen, gibt es noch immer kein Urteil (vgl. taz 22.9). Das Jugendgericht hat den Prozeß gestern ausgesetzt. „Die Verteidigung hat noch ein zweites Gutachten angefordert“, begründet Richter Bernward Garthaus die Entscheidung.

Die Mitarbeiter des Jugendfreizeitheims „Wehrschloß“ haben zwischenzeitlich eine Dokumentation zu dem Vorfall erarbeitet, die der Ermittlungsakte teilweise widersprechen soll. Laut Ermittlungsakte haben die Ereignisse nämlich schon gegen 16 Uhr in den Räumen des Freizeitheims ihren Lauf genommen. Die Mädchen sollen ihr Opfer geschlagen und getreten haben. Außerdem soll eine Angeklagte den Kopf des Mädchens gegen eine Holzplatte gedrückt haben. Laut Anklageschrift verließen die Schülerinnen nach etwa einer Stunde das Jugendfreizeitheim, um ihr Opfer hinter dem Haus weiterzuquälen.

Daß es bereits in den Räumen des Wehrschlosses zu Handgreiflichkeiten gekommen ist, steht nach dem zweiten Verhandlungstag, so der Richter, einwandfrei fest. Die MitarbeiterInnen des Wehrschlosses sind deshalb von der Kripo vernommen worden. „Es hat sich jedoch kein Tatverdacht ergeben“, sagt Staatsanwalt Jörn Ellerbusch. „Die Mitarbeiterinnen haben nichts mitbekommen. Sie sind von den Jugendlichen abgelenkt worden.“

Ob das auch in der Dokumentation steht, die den Fall aus Sicht der Wehrschoß-MitarbeiterInnen beleuchtet, bleibt allerdings vorerst offen. „Die Dokumentation ist noch im Druck“, winkt Erich Ernst-Pawlik ab. Er ist Sachgebiets-Leiter beim Amt für Soziale Dienste und unter anderem zuständig für Jugendarbeit. Doch selbst wenn die Stellungnahme gedruckt und gebunden ist, landet sie erstmal auf den Schreibtischen von ErzieherInnen und SozialpädagogInnen „die in der Jugendarbeit tätig sind“. „Die Dokumentation ist zunächst nur für die fachpolitische Diskussion gedacht“, betont Pawlik. Auch zu dem Inhalt der Dokumenation will er sich nicht äußern. Er verrät nur soviel: „Die Mitarbeiterinnen sind ihrer Aufsichtspflicht sehr wohl nachgekommen. Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“

Daß das Mädchen bereits in den Räumen des Wehrschlosses gequält worden ist, stellt Ernst-Pawlik auch nach Lektüre der Dokumentation in Abrede. „Davon ist mir nichts bekannt“, sagt er. Es habe lediglich „eine heftige Diskussion“ gegeben. „Und das ist ja unter Jugendlichen nichts Ungewöhnliches“. Die Wehrschloß-Mitarbeiterinnen hätten zwar nicht erkannt, daß dies ein Konflikt gewesen sei, in den sie hätten eingreifen müssen. Doch „die Jugendlichen haben das in sie gesetzte Vertrauen auch mißbraucht“, gibt er zu bedenken. Daß die „offene Jugendarbeit“ jetzt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, mißfällt ihm. Natürlich müsse diskutiert werden – aber zunächst „unter Fachleuten“. kes