Nicht gut, aber adlig

Wie sich ein mäßiger Nachlaß penetrant und erfindungsreich vermarkten läßt: Jetzt gibt es sieben Ausstellungen des Bauhäuslers Fritz Kuhr  ■ Von Ulrich Clewing

Kennen Sie den Künstler Fritz Kuhr? Nein? Das kann sich schnell ändern. Rekordverdächtige sieben Ausstellungen von Kuhrs Arbeiten sind derzeit hier zu sehen.

Im Rathaus Tempelhof wird der „Bauhauskünstler Fritz Kuhr“ gezeigt, das Heimatmuseum Tempelhof stellt Kuhrs Fotografien vor. Die Stadtbibliothek Tempelhof präsentiert Dokumente und Briefe des Malers. Bilder aus der Bauhauszeit Fritz Kuhrs hängen in der Tempelhofer Galerie Artificia, eine Auswahl aus seinem Fundus an Gouachen des Künstlers bietet das Oberstufenzentrum Metalltechnik in Neukölln. Und ab heute sind in der Wilmersdorfer Kommunalen Galerie Metallbilder Kuhrs zu sehen. Was ist passiert? Und: Wer ist Fritz Kuhr?

Ganz einfach. Es begann vor drei Jahren. Seinerzeit machte eine Nachricht die Runde, die eine kleine Sensation versprach: In einer abgelegenen Garage in Wilmersdorf sei ein veritabler Kunstschatz gefunden worden – das nahezu komplett erhaltene malerische Werk eines heute zu Unrecht vergessenen Bauhauskünstlers. Sein Name: Fritz Kuhr.

Nach einigen Nachforschungen stellte sich heraus, daß von „finden“ in diesem Zusammenhang nur bedingt die Rede sein konnte. Auch handelte es sich bei den Entdeckern des Schatzes schlicht um die langjährigen Nachbarn des 1975 im Alter von 76 Jahren verstorbenen Malers.

Ursprünglich lagerte das rein mengenmäßig beachtliche Werk (4.000 Gemälde, Zeichnungen, Schriften und Briefe) im Atelier des Künstlers, in dem inzwischen dessen Sohn wohnte. Als diesem 1992 die Kündigung ins Haus schneite, entschloß sich Kuhr junior, die Nachbarn mit der Verwaltung des väterlichen Erbes zu betrauen. Weil einer der beiden gerade eine Garage frei hatte, wurde die Sammlung dort zwischengelagert. Von da bis zu dem publicityträchtigen „Fund“ durch die Herren Nachlaßverwalter Hermann Famulla und Alwin Schütze war es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Eines stimmt immerhin an der Geschichte, die das Duo Schütze/ Famulla im Oktober 1992 jedermann auftischte: Fritz Kuhr war tatsächlich Student an Walter Gropius' legendärem Bauhaus. Nach seinem Studium erhielt er im Fach Aktzeichnen sogar einen Lehrauftrag. Ein paar Jahre später stempelten ihn die Nazis als „entartet“ ab. Bauhaus und die Teilnahme an der Ausstellung „Entartete Kunst“ – zwei Adelsprädikate und für Famulla, Schütze und Kuhr junior eine einmalige Chance, die Kassen klingeln zu lassen. Die „Entdeckung Kuhr“ sollte der Öffentlichkeit nicht lange vorenthalten bleiben. Im Januar 1993 fand eine Ausstellung in der Kommunalen Galerie in Wilmersdorf statt, ein paar Monate später widmete sich auch die Reinickendorfer Rathaus-Galerie dem umfangreichen Schaffen des Malers.

Kuhr war zeitlebens ein Nachahmer

Der Erfolg der beiden Ausstellungen jedoch ließ offenbar zu wünschen übrig. Vielleicht, weil es Kuhr zu keiner Zeit gelungen war, sich von seinen Bauhaus-Lehrern künstlerisch loszusagen. Deutlich sind in seinem Werk verschiedenste Einflüsse zu erkennen, hier ein bißchen Kandinsky, da ein bißchen Klee, dort ein Anklang an Oskar Schlemmer. Später reicherte er die Anregungen, die er erfahren hatte, mit surrealen Elementen an.

Kuhr war zeitlebens ein Nachahmer, einer, der Strömungen aufgriff, die andere vor ihm entwickelt hatten. Seiner Karriere fügte das freilich nur wenig Schaden zu. Nach dem Krieg lehrte Kuhr dreißig Jahre lang an der Westberliner Hochschule der Künste und war somit von wirtschaftlichen Zwängen befreit. Der enorme Nachlaß häufte sich nicht etwa wegen qualvoller Nichtbeachtung an, sondern weil dem Künstler einfach „das Verkaufen nicht lag“.

Famulla und Schütze ließen sich vom mangelnden Erfolg der ersten Ausstellungen nicht irritieren. Im Gegenteil, der nächste Coup war schon vorbereitet. Diesmal nahmen die alerten Nachlaßverwalter das Kunstamt Tempelhof ins Visier. Schließlich hatte Kuhr in Berlin hauptsächlich in Tempelhof gelebt. Die Verbundenheit mit einem großen Sohn der Gemeinde – das zieht immer.

Als sich das Kunstamt gegen die Avancen von Famulla und Schütze sträubte, ließen sie die Muskeln spielen. Auf den Plan trat der Tempelhofer Kunst- und Kulturverein (TKK), eine private Initiative, die sich um die kulturelle Belebung des verschnarchten Bezirks sorgt.

Der TKK alarmierte die Bezirksverordnetenversammlung, die beschloß eine Eingabe an den Bürgermeister, der sich daraufhin den Kunstamtsleiter zur Brust nahm. Daß die zweite Vorsitzende des TKK zugleich die Inhaberin der Galerie Artificia ist, die sich mittlerweile ebenfalls und nicht ganz uneigennützig der Verbreitung des Werkes von Fritz Kuhr verschrieben hat, spielt in diesem Fall nur eine untergeordnete Rolle. Fazit: Von Fritz Kuhr wird man sicherlich noch öfter hören.