Durchs Dröhnland: Hardcore wie Hefe
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Jede Band, die in dieser Zeit von Fusion und Diversifizierung auf der Suche nach puren Formen ist, jagt kaum mehr als einer Illusion nach. Der Versuch ist trotzdem lobenswert, vor allem wenn dabei noch schlichte Schönheit entsteht. A.D. stammen aus New York, ihr Crossover ist der zwischen HipHop und Hardcore. Doch weil beide in ihren reinsten Ausformungen miteinander verbunden werden, klingen A.D. wie niemand vor ihnen. Keine Samples, A.D. brauchen nur die klassische Triobesetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, um satt zu breakbeaten oder sanft zu grooven. Andererseits können sie auch einen puristisch rollenden Hardcore spielen, der zwar rhythmisch überaus abwechslungsreich ist, aber wie Trockenhefe klingt. Anthony De More, dessen Initialen dem Quartett den Namen gaben, kann in seinen Raps entspannt reimen und als Bösewicht das Mikro abkauen. Natürlich zischen Namen hin und her, einschlägige wie Rage Against the Machine oder auch Beastie Boys. Wahr ist, daß A.D. etwas Eigenes, Unverwechselbares geschaffen haben, indem sie nach den Wurzeln gegraben haben.
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Früher hießen sie 11th Plague, nun nennen sich unsere Göttinger Freunde God 5 und spielen einen Rock, der vorgibt, Folk zu sein, um dann wie ein Punkrocker tun zu können. Schlußendlich also ungefähr das, was auch die Pogues früher taten. Und auch wenn God 5 bei weitem härter sind und weniger Traditionsbewußtsein haben, sind sie doch mindestens ebenso unterhaltsam.
Heute, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68
Im Zuge des vermehrten Einsatzes von Rare Grooves auf den Tanzböden finden sich nun auch die entsprechenden Live- Acts. Für Cultured Pearls, die einen flokatiartigen Acid Jazz hinfusseln, aber auch flott schweinefunken können, hat es schon zu kleineren Charterfolgen gereicht. Astrid North, gebürtige Berlinerin, hat den Soul in ihrer Stimme schon Big Light für deren Hit „Trouble Is“ und früher auch der Jazzkantine zur Verfügung gestellt.
Heute, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a
Berstend, schillernd, hochfliegend sind Alliance Ethnik. Das möchte ja auch sein, wenn man den zweimaligen DJ-Weltmeister in den Reihen hat. Doch trotz butterschweren Souls, verschwenderischen Beats, rauchjazzenden Bläsern, haufenweise zuckersüßen Samples und Scratch-Einlagen, daß die Fingerkuppen rauchen, versinken die fünf Franzosen nicht in der eigenen Virtuosität. Was manchmal Gefahr läuft, Kunst- HipHop zu werden, bleibt dann doch immer tanzbar, immer übersprühend und vor allem ein schönes Kaleidoskop der multikulturellen frz. Gesellschaft.
Im Rahmen von „Unite & Act“ morgen, 19.15 Uhr, Tempodrom, In den Zelten
Bevor Phil Lynott im Jahre 1986 seinen Drogenkonsum mit dem Ableben bezahlte, besaß er einen Garten. Den Rasen mähte ein kleiner Junge namens Barry James. Den Lohn erhielt er vom Thin-Lizzy-Sänger in Form von Musikunterricht. Inzwischen ist James erwachsen, seine Band heißt Toss The Feathers, kommt aus Manchester und versucht sich an Irischem Folk und gemütlichem Rock – eine Fusion, für die Thin Lizzy mit dem für sie eher untypischen „Whiskey in the Jar“ berühmt geworden sind. Bei Toss The Feathers fiddelt, flötet und pfeift es zwar immer wie wildgeworden, aber daneben spielt sich ein überaus konventioneller Mainstream-Rock ab, dem leider jede Hintergründigkeit, jeder doppelte Boden abgeht. Manchester ist weit entfernt, gute Einkünfte nicht.
Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Was Toss The Feathers an punkiger Versoffenheit fehlt, das liefern die Mahones in Fülle hinterher. Tatsächlich hören sie sich britischer an als einschlägige Vorbilder, dabei kommt man doch aus Köln. Und auch wenn da gerne Karneval ist, muß überschäumende Fröhlichkeit doch nichts Unangenehmes an sich haben. Vor allem wenn sie wie im Falle unseres kölschen Septetts mit einer nieseligen Melancholie abgefangen wird.
Am 2.10. mit The Boys from County Hell, 21 Uhr, Thomas- Weissbecker-Haus, Wilhelmstraße 9
Weil auch moderner Metal auf die 70er zurückgeht, muß eine Band wie Psychotic Waltz sein. Sie selbst geben zu, daß der Gesangsstil ihres Sängers von Jethro Tull beeinflußt ist. Und in Radio-Schnipseln und ständigen Rhythmuswechseln kommt eine Verspieltheit zum Ausdruck, die den mächtigen Gitarren-Riffs die Bösewichtigkeit nimmt. Mit den fünf aus Kalifornien ist der Metal auf der dunklen Seite des Mondes angekommen.
Am 3.10., 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108–114
Als Primus begannen, waren sie kaum mehr als noch eine Funk-Rock-Band zuviel, auch wenn sie schon damals mit ebenso halsbrecherischen wie überflüssigen Jazz-Nonsense- Ausflügen überraschten. Inzwischen ist fast nur noch Blödsinn übrig. Ob nun textlich, wenn sich herausstellt, daß Wynonas großer brauner Biber eigentlich ein Stachelschwein ist, oder musikalisch, wo alles passiert, vom knalligen Slap-Bass, den hirnrissigen Improvisationen, übelstem Gitarrengewichse bis hin zu irgendwas, was Punkrock sein könnte. Manchmal passiert auch gar nichts oder greinen Babys im Hintergrund. Vielleicht gehören unsere Freunde aus San Francisco in eine Anstalt, bisher haben sie es aber nur in die amerikanischen Charts geschafft. Aber wie sie mit dieser Musik zu Platin-Platten kommen, das weiß niemand, nicht einmal sie selbst.
Am 3.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz Thomas Winkler
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