Olympia-Reißwolf fraß 400 Ordner

Olympia-GmbH vernichtete vier Fünftel aller Unterlagen. 14 Aktenordner enthielten brisantes Material. Ein Zeuge belastet im Untersuchungsausschuß Abteilungsleiter für Finanzen schwer  ■ Von Dirk Wildt

Die Reißwolf-Affäre der Olympia-GmbH hat einen weit größeren Umfang, als bisher vermutet: Wie ein Mitarbeiter der Gesellschaft gestern vor dem Untersuchungsausschuß aussagte, sind nicht nur 14 Aktenordner, sondern bis zu 400 Akten vernichtet worden. Auch den bislang unbekannten Inhalt der 14 Aktenordner konnte der Zeuge Lutz Mühlner aus der damaligen Abteilung „Austragungskonzepte“ aufhellen. Dabei habe es sich um Unterlagen gehandelt, aus denen hervorging, warum an wen und zu welchem Preis welche Gutachten und Aufträge erteilt worden sind.

Mühlner belastete dabei andere Mitarbeiter der GmbH schwer. Sein Abteilungsleiter Schulze habe mit ihm und anderen Mitarbeitern der Abteilung „Austragungskonzepte“ sowie einem Wachschutzmann und Sekretärinnen die 14 Akten eigenhändig vernichtet. Zuvor habe der Abteilungsleiter Finanzen, Heydt, die Vernichtung ausdrücklich erlaubt. Schulze hatte in der Vergangenheit vor dem Ausschuß behauptet, nicht gewußt zu haben, wie die Akten vernichtet worden seien, Heydt hatte ausgesagt, die Vernichtung nicht angeordnet zu haben.

Die Abteilung „Austragungskonzepte“ fertigte von September bis Dezember 1993 einen Abschlußbericht. Wie Mühlner berichtete, seien zuerst von 300 bis 400 Ordnern 14 Akten mit seiner Meinung nach „unbedeutenden“ Unterlagen aussortiert und „wochenlang“ auf einem Tisch einer Sekretärin abgestellt worden: „Die waren uns echt im Weg.“

Die restlichen mehreren hundert Ordner, die die sportliche Konzeption mit Entwürfen von Wettkampfstätten und Anforderungen internationaler Sportverbände enthalten hätten, seien zu 80 Ordnern zusammengefaßt worden. Was übrigblieb, wanderte in den Reißwolf. Die 80 Ordner lagern seit Dezember 1993 in Räumen der Senatssportverwaltung in Hohenschönhausen. Ausschußvorsitzender Jürgen Lüdtke (SPD) traute seinen Ohren nicht, als Mühlner bestätigte, daß vier Fünftel der Akten der Olympia-GmbH vernichtet worden seien.

Als auch die 14 Ordner im Dezember nach Hohenschönhausen geliefert werden sollten, sei Heydt geholt und gefragt worden, was mit den Ordnern auf dem Schreibtisch passieren soll, sagte Mühlner gestern. Heydt habe dann die Vernichtung erlaubt. In der Kürze der Zeit sei es nicht möglich gewesen, jede Seite zu lesen. Abrechnungen seien aber weiterhin vorhanden, denn die Originale seien immer von der Finanzabteilung aufgehoben worden, die Abteilung „Austragungskonzepte“ habe nur Kopien gehabt. Handschriftliche Vermerke wiederum, wann welcher Mitarbeiter der Olympia-GmbH mit welchen Auftragnehmern worüber verhandelt habe, sollen dabei für immer verlorengegangen sein.

Der Ausschuß sollte seine Arbeit längst beendet haben, doch die Oppositionsfraktionen hatten auf weitere Zeugenbefragungen bestanden. Der Ausschuß tagt noch mindestens zwei Mal.