Von Rauchwaren und anderen unmoralischen Angeboten Von Klaudia Brunst

Erika ist ein bißchen anders als wir. Nicht nur, daß sie hetero ist. Sie leistet sich auch sonst gerne eine eigene Meinung. Neulich rief mich Erika in einer, wie sie selbst meinte, „delikaten Angelegenheit“ an. „Bist du etwa schwanger?“ platzte es aus mir heraus. „Was fändest du daran delikat?“ konterte Erika gewohnt feinsinnig und kam dann endlich zum Kern ihres Anliegens: „Also, meine Erbtante will mir zum Geburtstag partout einen Pelzmantel schenken ...“ – „Das ist aber politisch gar nicht korrekt!“, unterbrach ich sie. „Aber sehr warm!“ gab Erika trotzig zurück, und langsam begriff ich, daß sie diesem unmoralischen Angebot gar nicht so ablehnend gegenüberstand. „Wo ich doch immer so friere im Winter!“

Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis ich verstanden hatte, was Erika eigentlich von mir wollte: „Ich dachte, wir können vielleicht mal gemeinsam auf den Ku'damm gehen und uns erkundigen. Ganz unverbindlich, natürlich. Und wenn du dann findest, daß es gar nicht geht, dann ...“ – „... machst du's am Ende eben ohne meinen Segen!“ willigte ich lachend ein. Langsam fing mir die Sache an, Spaß zu machen. Weswegen sich meine Freundin sofort anbot mitzukommen. „Damit wenigstens einer an die Tiere denkt.“

„Ich will nie wieder frieren!“ eröffnete Erika also am letzten langen Donnerstag das Verkaufsgespäch in Berlins größtem Rauchwarengeschäft. „Können Sie mir da weiterhelfen?“ – „Aber sicher, meine Dame“, säuselte die Verkäuferin, „da rate ich Ihnen zu einem Nerz. Das ist das Wärmste, Strapazierfähigste ...“ – „und Teuerste, was Sie haben“, mischte sich meine Freundin mit Blick auf das Preisschild ein. „Einen Pelz kauft man sich ja schließlich nicht für eine Saison“, meinte die Verkäuferin spitz, und meine Freundin – jetzt voll in ihrem Element – konterte: „Das werden die fünfzig Tiere, die für diesen Mantel elend sterben mußten, gerne hören!“

„Unsere Felle sind ausnahmslos aus kontrollierten Züchtungen“, schnaubte die Verkäuferin, während sie den teuren Nerz wieder weghängte. „Aber wenn Sie irgendwelche Probleme mit dem Nerz haben, dann können Sie ja auf etwas aus unserem Programm ,Von der grünen Wiese' zurückgreifen.“ – „Das hört sich doch gut an!“ meinte Erika, die schon alle ihre Felle hatte davonschwimmen sehen, und probierte dankbar ein prachtvoll meliertes Persianermodell in „modischer A-Form“, das auch von jüngeren Leuten gerne getragen wird. Erika war selig, denn der Mantel stand ihr nicht nur ausnehmend gut, er war zudem auch noch annähernd bezahlbar. „Weil Blut dran klebt“, zischte meine Freundin, die ihre Sache an diesem Abend wirklich gut machte, „das Blut ungeborener Lämmer, deren Mütter mit Stockhieben zur Herausgabe ihrer Leibesfrucht gezwungen werden.“

„So kommen wir nicht weiter!“, seufzte Erika, „können Sie uns nicht etwas zeigen, das nicht so deutlich nach totem Tier aussieht?“ – „Da hätten wir den geschorenen Nerz“, meinte die Verkäuferin, „der sieht dann überhaupt nicht mehr nach Pelz aus.“ – „Geschoren!“, rief Erika. „Das klingt doch gut! Haben Sie nicht vielleicht etwas Geschorenes ,von der grünen Wiese‘? Lamm vielleicht?“ – „Gute Frau“, schnaubte die Verkäuferin, „Schurwollmäntel führen wir hier nicht!“