Die nächsten Schritte

Brandenburg: Pläne für eine vorbildliche Hanfregion  ■ Von Matthias Schillo

Es stand in der Zeitung: Der Anbau von Faserhanf ist in Deutschland wieder erlaubt. Die HanfGesellschaft wird mit naiven oder euphorischen Anfragen überschüttet: „Ich baue 1996 30 Hektar Hanf an und brauche das nötige Saatgut. Welchen Preis werdet ihr mir zahlen?“ So einfach geht es leider nicht. Welche Probleme noch gelöst werden müssen und wie die ersten Schritte in eine nachhaltige Hanfwirtschaft aussehen, soll hier deshalb skizziert werden.

Die Hürden: Zuerst einmal ist der Hanfanbau in Deutschland leider immer noch verboten. Die Anlage zum BtMG (Betäubungsmittelgesetz), die jede Form von Hanf, also auch den nahezu THC-freien Faserhanf, als „nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel“ aufführt, ist noch nicht geändert. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht Berlin im Mai des Jahres in zweiter Instanz den Eilantrag der Brandenburger Landwirte abgeschmettert und zwar mit der einfachen Begründung: Gesetz ist Gesetz, sorgt erst für die Änderung des BtMG.

Diese Änderung steht nun allerdings bevor. Im Juni hat sich der Sachverständigenausschuß für Betäubungsmittel für den kontrollierten Anbau von Faserhanf mit einem Gehalt bis zu 0,3 Prozent THC ausgesprochen. Der Bundesgesundheitsminister könnte nunmehr per Rechtsverordnung (also ohne Beteiligung der schwerfälligen Gesetzesmaschinerie) solche Hanfsorten aus der Anlage zum BtMG herausnehmen. Vieles deutet darauf hin, daß dieses noch vor Beginn der Vegetationsperiode 1996 geschehen wird. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BML) will ab November 1995 eine Stelle einrichten, die Anbauwillige berät. Für die auch dann noch erforderliche Genehmigung wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernähung (BLE) zuständig sein. Die Entscheidung des Bundesgesundheitsministers steht allerdings noch aus. Der Kampf um die Freigabe darf also noch nicht eingestellt werden. Deshalb haben die mit Unterstützung der HanfGesellschaft klagenden Bauern die Vorlage ihres Begehrens an den Europäischen Gerichtshof beantragt. Wichtig wäre auch die trotz vieler Ankündigungen noch ausstehende Bundesratsinitiative. Zwar haben sich in einigen Bundesländern einzelne Landtagsfraktionen für eine solche Initiative ausgesprochen. Aber noch hat sich keine Landesregierung dazu durchgerungen.

Gehen wir mal davon aus, daß der kontrollierte Anbau 1996 möglich ist. Dann muß die Hürde Nummer zwei übersprungen werden: Woher das Saatgut nehmen? Die Landwirtschaft wird Hanf nur dann anbauen, wenn sie die Beihilfe der EU von derzeit 1.510,44 Mark pro Hektar erhält. Voraussetzung hierfür ist, daß die anzubauende Sorte auf der Förderliste des Agrarkommissars steht. Dort finden sich derzeit aber fast ausschließlich französische Sorten. Diese Sorten werden derzeit – wenn überhaupt – nur zu Horrorpreisen von bis zu 8 Mark das Kilo verkauft. Bei diesem Preis ist die Flächenbeihilfe allein für das Saatgut aufgezehrt.

In Deutschland ist unseres Wissens nur eine einzige Sorte (Fasamo, Züchter Loch), gehalten worden. Für September 1995 wird nach Angaben des Züchters die Sortenbeschreibung des Bundessortenamtes erwartet (erst dann steht fest, daß es sich um eine stabile Sorte handelt). Sobald die Sortenbeschreibung vorliegt, werden wir das BML bitten, sein politisches Gewicht (als Vertreter des größten Nettozahlers der EU) einzusetzen, um die schnelle Aufnahme der Sorte Fasamo in den Förderkatalog zu erreichen. Üblicherweise schaltet der Agrarkommissar erst das französische „Institut du chanvre“ in le Mans ein, das üblicherweise zum Ergebnis kommt, die Sorte sei nicht förderungswürdig. Die dritte Hürde. Auch wenn „Fasamo“ gefördert wird, haben wir viel zuwenig davon. Hier bieten sich aber schon die ersten wirtschaftlichen Chancen: Saatgutvermehrung ist für den Landwirt eine lukrative Sache. Im übrigen können wir natürlich auch den nachgewiesenermaßen THC- freien Kompolti aus Ungarn aufbringen, wenn es gelingt, Veredelungsschritte zu entwickeln, die auch ohne EU-Förderung ökonomisch rentabel sind.

Damit sind wir bei Hürde Nummer vier: Es gibt noch keine Verarbeitungskapazitäten in Deutschland. Ihr Aufbau erfordert viel Geld. Hierfür haben wir die TreuHanf Investitions- und Beteiligungs GmbH gegründet. Sie hat im ersten Jahr ihres Bestehens als Großhändler für die HanfHäuser fungiert und so einen guten Überblick vor allem auch über die Ka

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pazitäten und Entwicklungsmöglichkeiten in den osteuropäischen Anbaugebieten gewonnen. Jetzt wird sie in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt. Durch Einwerbung von Kommanditanteilen und Ausgabe von Aktien wird das erforderliche Kaptial für die Verarbeitungskapazitäten beschafft.

Als erstes werden wir in Projekte investieren, die möglichst mit der vorhandenen landwirtschaftlichen Technologie umgesetzt werden können.

Projekt I, Energie: Die Verbrennung von Hanf in Blockheizkraftwerken (BHK) bietet gegenüber anderen nachwachsenden Rohstoffen erhebliche stoffliche und ökologische Vorteile. Hinzu kommt, daß Transportwege vermieden werden können, weil der Rohstoff im unmittelbaren Umfeld des BHK angebaut werden kann. Brandenburg ist ein klassisches Hanf-Anbaugebiet; zum Anbau geeignete Flächen gibt es überall genug.

Aufgrund des vor dem Bundesverfassungsgericht geschlossenen Stromvergleiches können die Gemeinden der neuen Bundesländer erheblich leichter Stadtwerke gründen und so die Energieversorgung in eigene Hände nehmen. Stadtwerke sind in aller Regel hoch profitabel.

Der Standort des BHK wird zusammen mit dem brandenburgischen Landwirtschaftsministerium gefunden. Wahrscheinlich wird das erste BHK in Baruth entstehen. Dort hat die Amtsverwaltung ihre Unterstützung bekundet.

Für die Kosten der Rohstoffbereitstellung gibt es derzeit keine Erfahrungswerte. Wenn bei richtiger Definition des Anbaues die mögliche Flächenförderung der EU realisiert werden kann, hat der Landwirt auch bei kostenloser Abgabe des Hanfes an das BHK ein gutes Geschäft gemacht. Die Tendenz muß aber dahin gehen, den Wegfall der Förderung einzukalkulieren. Für diesen Fall kann – jedenfalls für die Region Brandenburg – davon ausgegangen werden, daß kein anderer Biomasseträger einen ähnlich günstig zu erzielenden Ertrag bringt. Holz benötigt Jahre um die von Hanf in 100 Tagen erzielte Biomasse zu erreichen. Getreide (in Dänemark als Masselieferant für BHK bevorzugt) ist anspruchsvoll, was Standort und Chemieaufwand angeht. Noch weit schlechter schneiden empfindliche Pflanzen wie Raps und Flachs ab. Hier geht nichts ohne chemische Keule. Nur im Bereich der industrialisierten, besonders umweltschädlichen Landwirtschaft lassen sich mit diesen Pflanzen beachtliche Erträge erzielen. Keine andere heimische Pflanze wird ähnlich preiswerte Biomasse zur Verfügung stellen.

Im übrigen kann auf die von den BHK-Herstellern entwickelten Modelle zurückgegriffen werden. Sie sehen in der Regel eine etwa zehnjährige Phase vor, in der eine Betreibergesellschaft durch Verkauf von Energie (Strom und Wärme) das eingesetzte Kapital teilweise zurückführt und im übrigen verzinst. Die Rückführung des Kapitals erfolgt im übrigen durch den Verkauf des BHK an den kommunalen Energieversorger. Hier sind vielfältige Lösungen erprobt und können weiterentwickelt werden.

Projekt II, HanfZentrum: Nicht nur die Energieversorgung muß aus Gründen der Bewahrung der Erdatmosphäre auf regenerative Basis umgestellt werden, auch die Rohstoffversorgung der produzierenden Wirtschaft wird auf geschlossene Stoffkreisläufe hin optimiert werden. Das bedeutet in erster Linie die Ersetzung nicht erneuerbarer, insbesondere fossiler Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe. Dabei wird Hanf mit Sicherheit eine bedeutende Rolle spielen.

Die Fasern werden chemisch hergestellte Textil- und Industriefasern ersetzen und auch die für die Umwelt ruinöse Baumwolle ablösen, wenn deren Hauptanbaugebiete aufgrund der Zerstörung der Böden durch den industriellen Anbau nicht mehr nutzbar sind. Wegen ihrer überragenden Festigkeit kommt die Faser insbesondere auch für Dämmstoffe und Verbundwerkstoffe in Betracht.

Das Öl ist ein hochwertiges Nahrungsmittel und zeigt unerwartet positive Eigenschaften bei der Körperpflege. Der Ertrag der Pflanze rechtfertigt auch den Anbau für technische Zwecke (etwa auf kontaminierten Böden, die damit schrittweise gereinigt werden). Dieses Öl geht derzeit in größerem Umfang in die Tensid-Produktion (Waschmittel). Es könnte aber auch für Schmierstoffe, Herstellung von Kunststoffen und für den Betrieb von Verbrennungsmotoren genutzt werden. Dabei geht es nicht um sogenannten Biodiesel,

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also in einer Raffinerie hergestellten Treibstoff, sondern um das simple Öl der Pflanze selbst. Die entsprechenden Motoren stehen bereit, werden allerdings heute noch zurückgehalten.

Kurzfasern und Schäben lassen sich zu hochwertigem Zellstoff für die Papierproduktion umwandeln. Das Papier hat anders als Holzpapier eine lange Lebensdauer. Es ist dezentral und mit geringem Aufwand herstellbar, vernichtet keine Regenwälder und kann nach Berechnungen der Universität Wageningen Zellstoff zum Preis von 750 Mark pro Tonne liefern. Holzzellstoff kostet 850 Mark pro Tonne mit steigender Tendenz.

Die vollständige Verwertung der Pflanze erfordert eine Hanffabrik, in der die Pflanze in ihre Fraktionen zerlegt und für die Weiterverarbeitung aufbereitet wird.

Unsere Planung konzentriert sich bisher auf die ehemalige Hanffabrik Bergerdamm, 40 Kilometer von Berlin entfernt. In Betracht kommt auch ein ehemaliges Zeppelinwerk bei Königs Wusterhausen. Der Vorteil dieses Geländes läge in der massiven Unterstützung des Landkreises Dahme- Spree. Beim Bau wird der Aspekt Freizeit, Erholung von Anfang an als gleichwertiger Wertschöpfungszweig neben dem technischen Aufschluß der Pflanze mitentwickelt. Das brandenburgische Landwirtschaftsministerium ist in die Planung mit einbezogen.

Weitere Projekte: Die Zellstofffabrik Eugen Jetter (Brandenburg) benötigt 1,7 Millionen Mark, um Papierrohmasse aus Hanf herzustellen. Sie ist Mitglied der HanfGesellschaft, hat unseren klagenden Bauern eine Abnahmegarantie gegeben und hat selbst Zusagen des Papierfabrikanten Schneidersöhne, ebenfalls Mitglied der HanfGesellschaft. HanfPapier ist nach Angaben von Schneidersöhne heute für einen hochpreisigen Nischenmarkt interessant, kann aber langfristig Holzpapier auch im Massenmarkt ersetzen.

Der Autor ist Jurist, stellvertretender Vorsitzender der HanfGesellschaft e. V., und Geschäftsführer der TreuHanf Investitions- und Beteiligungs GmbH.

Adressen:

HanfGesellschaft,

Fax 030-614 29 11.

TreuHanf, Fredericiastraße 14, 14050 Berlin,

Tel./Fax 030-301 63 65.

Bundesministerium für Landwirtschaft, Referat 421, Rochusstraße 1, 53123 Bonn, Tel. 0228-529 38 47.

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Adichesallee 40, 60322 Frankfurt/M.,

Tel. 069-15 640.