Hanf-Couture '95

Die neuesten Kollektionen aus Hanffasern auf einer imaginären Modenschau versammelt  ■ Von Nina Kaden

Herzlich Willkommen zu Hanf-Couture '95, die nun auf dem Laufsteg präsentiert wird.

„Suchtgefährdend, absolut suchtgefährdend“ seien die neuen Klamotten aus dem „HanfHaus“ in Berlin, verspricht uns für diese Saison dessen Mitarbeiter Chris Mangler. Das klingt vielversprechend, mal sehen was da jetzt über den Laufsteg kommt. Aha, aha: Jeans, Hemden, Pullover, T-Shirts und Jeansjacke, ja sogar Schlägermützen und Krawatten, alles für den Herren wird hier geboten. Der Kenner sieht sofort: Im Stil ist sich der unter Insidern bekannte Hanfausstatter treu geblieben. Kein Schnickschnack, klassisch-sportlicher Jeans-Look, ähnlich, wenn ich das mit meinem lange geübten Kritikerauge mal so sagen darf, der Levis-Kollektion, also für jeden Geschmack etwas dabei, wenn der Geldbeutel es denn zuläßt: Schlappe 150 Mark soll ein T-Shirt kosten, zwischen 189 und 219 Mark die beliebte Jeans. Von der produzieren die Berliner Pioniere der Hanfbranche mittlerweile übrigens 200 Stück pro Woche, und es ist kein Ende des Erfolges in Sicht! Das macht neidisch was?

Kleiner Tratsch am Rande: Ein Paar Beinkleider trägt Grünen- Promi Christian Ströbele, total begeistert, wie er mir kurz vor dieser Show noch sagte: „Im Sommer schwitzt man darin nicht so, und im Winter sind sie wärmer als andere Klamotten.“ Kaum zu glauben, was? Offensichtlich wäscht Christian selber, denn er wußte auch, daß die Hanfhose nach vierzig Mal waschen noch nicht dünn wird und viel robuster ist, als andere Jeans aus herkömmlicher Baumwolle.

Aber genug der Plaudereien, denn da kommt das, was Sie, meine Damen, beim Shopping keinesfalls vergessen dürfen: Kompostierbare Spitzenunterwäsche, für das ultimative Öko-Wohlfühlgefühl, sexy, sexy. Und was sehe ich da erfrischendes? Den Farbknaller – den Hanflippenstift! Ja, leider das einzig Feurige in der gesamten Kollektion. Beige, Weiß, ein blasses Schwarz und ein schwaches Blau sind auch in dieser Saison wieder die einzigen Farbtöne aus dem „HanfHaus“. Aber die Designer aus der Hauptstadt versprechen Knalliges fürs nächste Jahr: Pflanzenfarben machten dann wahrscheinlich den Öko-Pop möglich.

Was ist das? Nackt, total undressed – oder doch nicht ganz ohne – kommt da der Adidas- Dressman! Nur an den Füßen ist er bekleidet, da trägt er den neuen Hanfschuh. Ist dieser reduzierte Look etwa der Trend 1995? Nein, nein, Grund für diese ausgefallene Präsentation ist, daß Addidas außer dem „Chronic“, so heißt dieser Sportschuh, keine Hanfbekleidung anbietet. Der Chronic ist sicherlich das unverzichtbares Basisstück für jeden Techno-Trendsetter. An diese, und nicht an kletternde Greenpeace-Aktivisten, will Adidas den bis auf die Schnürsenkelösen recycelbaren Schuh

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nämlich hauptsächlich verkaufen. Der „Chronic“ sei „keine Öko-Geschichte“, den „Schuh“ wolle Adidas sich „nicht anziehen“, sagte mir PR-Berater Sascha Jungblut. Deswegen kann ich leider auch gar nichts darüber sagen, ob der Schuh ökologisch einwandfrei produziert wurde: Sascha wußte es nämlich auch nicht! So, jetzt habe ich aber auch genug nackte Trendsetter gesehen.

Aber nein: Da kommt das nächste Modell auch wieder völlig nackt. Entgegen der Vorankündigung im Frühjahr gibt es von Esprit doch noch keine Hanf-Kollektion. Esprits Öko-Manager Thorsten Bruxmaier meint, er habe nicht die Sicherheit gehabt, daß die Fasern aus ökologischem Anbau kämen, und lückenlose Rückstandskontrollen seien zu teuer. Das ist überhaupt so ein Thema: Pestizide, Herbizide und andere Schweinereien im Hanf. Ist der Stoff aus Cannabis vergiftet oder nicht? Bruxmaier sagt, je unberauschender die Pflanze und geringer der THC-Gehalt, desto anfälliger sei das Gewächs auch für Schädlinge. Also müsse Chemie auf die Felder.

Matthias Bröckers, aus dessen „HanfHaus“ die erste eben gezeigte Kollektion kommt, wiederspricht: „Hanf hat einen so strengen harzigen Geruch, das vertreibt jedes Ungeziefer.“ Pflanzliche Schädlinge würden abgehalten, weil Cannabis selber wie Unkraut wuchere und jedes andere Grün verdränge. Nirgendwo auf der Welt werde Hanf gespritzt. Wegen eventuell belasteter Böden mache das „HanfHaus“ dennoch stichprobenweise Rückstandskontrollen. Die Fasern kommen wegen des deutschen Anbauverbots aus Rumänien, Ungarn und China. Da können Bodenqualität und Pflanzen nur selten von den hiesigen Abnehmern kontrolliert werden.

Oh, jetzt geht es weiter, der Abwechslung halber mal mit angezogenen Modells. Klassische Damenoberbekleidung aus dem Hause Steilmann: Westen, Röcke, Blusen, allerdings bunter als die Sachen aus Berlin. Die Ruhrpöttler haben eben ein lockeres Verhältnis zur Chemie: Über ihr Garn haben sie die gleiche Synthetik- Soße gekippt wie über die restliche Kollektion. Merken Sie es? Wie das Berliner HanfHaus vermeiden es die Steilmann-Designer sich mit schrägen, frechen oder alternativen Schnitten auf eine Zielgruppe festzulegen. Dafür ist die Szene noch zu unbestimmt und klein. „Erst mal machen wir den Grundstock. Aber das kleine Schwarze kommt bestimmt“, sagt Chris Mangler. Ob dazu dann ein Joint geraucht oder ein Glas Sekt getrunken wird, läßt er offen.