: Quo vadis, Cannabis?
■ Zwei Hanf-Pioniere debattieren über den richtigen Weg zum wirtschaftlichen Erfolg
Hanfprodukte sind nicht mehr die Domäne irgendwelcher „Szene- Freaks“. Auch große Konzerne haben entdeckt, daß mit dem exotischen Cannabis-Etikett Geld gemacht werden kann. Dadurch erwächst den Pionieren der Hanfbranche allerdings eine starke Konkurrenz. Christian Steinberg, Teilhaber des Hanfgeschäftes CANNABIS IN BERLIN (CIB), und Mathias Bröckers, Gründer der HANFHAUS-Kette, versuchen der Konkurrenz auf unterschiedliche Art und Weise zu begegnen.
taz: Adidas verkauft den Hanfschuh, bald werden in den Kaufhäusern Hanfklamotten in den Regalen liegen. Wie sollen sich die kleinen Läden da noch behaupten, die bisher fast ein Monopol auf den Rohstoff hatten?
Bröckers: Na, noch ist es ja nicht soweit. Es dauert locker vier Jahre, bis wir mit C&A oder Hertie konkurrieren müssen. Bis dahin haben wir einen Vorsprung, den wir ausnutzen können. Beim Vertrieb von Hanf-Produkten kommt es immer noch auf umfassende Beratung an. Das leisten die Kaufhäuser nicht.
Steinberg: Wichtig ist, ein eigenes Profil zu erhalten. Wir dürfen kein stinknormales Geschäft werden, das halt zufällig Hanfprodukte verkauft. In unserem Laden soll den Leuten mehr geboten werden als der übliche Konsum. Da soll Atmosphäre rüberkommen: Man trifft sich, tauscht Neuigkeiten aus ... Da soll ruhig auch Hanfkultur zelebriert werden.
Wie sieht das denn konkret aus?
Steinberg: Wir sprechen eine Klientel von jungen Leuten an, die ökologisches Bewußtsein, Interesse an Selbsterfahrung und ähnliches mitbringen. So ein Hanfgeschäft soll auch Kommunikationszentrum sein, zu dem man eine persönliche Bindung haben kann. Daraus wird in Zukunft vielleicht mal ein Hanf-Kaufhaus. Das heißt: Grow- und Headshop, Hanf-Laden und Coffeeshop unter einem Dach.
Bröckers: Aber mit den Headshops vergrault man doch 95 Prozent der Bevölkerung. Ziel sollte sein, auch die Leute als Kunden zu gewinnen, die gar nichts mit Haschisch am Hut haben. Zuerst einmal ist wichtig, die Masse davon zu überzeugen, daß Hanfprodukte nicht irgend so eine windige Geschichte von ein paar Kiffern sind. Ich wäre der letzte, der „legalize it“ ablehnt, aber die Drogen-Diskussion sollte auf einer anderen Schiene geführt werden.
Steinberg: Wenn man das trennt, läuft man allerdings Gefahr, daß Hanf von uns als Rohstoff etabliert wird und die Großanbieter und Konzerne irgendwann den Rahm abschöpfen. Verändert hätten wir dann herzlich wenig. Hanf zu fördern sollte mehr bedeuten: Eine Wende hin zum ökologischen Wirtschaften auf regionaler Basis. Nicht zuletzt hoffe ich auch, das Bewußtsein der Leute für ökologische und gesellschaftliche Fragen zu wecken. Dazu gehört zum Beispiel die Drogenpolitik, die in ihrer jetzigen Form völlig gescheitert ist. Hanf ist eine Art Klammer, mit der all diese Probleme vielleicht gelöst werden könnten.
Bröckers: Die Frage ist aber doch, auf welchem Weg ich etwas verändern kann. Und das geht nur, wenn die Masse der Leute Hanfprodukte akzeptiert – und natürlich auch kauft. Wenn die Produkte aus Hanf wieder völlig selbstverständlich werden, kommt die Legalisierung ganz von allein. Weil eben nicht mehr der eine Aspekt des Hanfs alles andere überwuchert, sondern die Pflanze mit all ihrem vielfältigen Nutzen wieder als Ganzes gesehen wird. Andersrum werden wir nie eine Hanfindustrie von Bedeutung aufbauen, solange Hanf nur in einer Ecke mit Dope steht. Selbst wenn die Legalisierung morgen stattfinden würde, brächte das den Wirtschaftsfaktor Hanf keinen Schritt voran.
Wenn nun aber der Vorsprung in Sachen Hanf irgendwann nicht mehr existiert, sind die kleinen Hanfläden einem enormen Preisdruck ausgesetzt. Massenware in Kaufhäusern ist dann sicher billiger als zum Beispiel die Hanf- Jeans, die heute noch 180 Mark kostet.
Bröckers: Mit großen Kaufhäusern preislich zu konkurrieren wäre sinnlos. Wir müssen ökologische Standards setzen – vom Anbau übers Färben bis zur Verarbeitung. Dann stellen importierte Billigprodukte keine Konkurrenz dar. Schon gar nicht, wenn endlich die Transportkosten in die Ökobilanzen einberechnet werden.
Steinberg: Klar, da sind wir einer Meinung. Aber wir müssen aufpassen, daß die Hanf-Bewegung nicht den inneren Zusammenhalt und ihr Profil nach außen hin verliert. Das Ganze soll nicht bloß ein Öko-Mode-Gag sein.
Bröckers: Eben deshalb ist die industrielle Verarbeitung hier bei uns so wichtig. Sie wird nur vorankommen, wenn die Hanfbewegung ihr Negativimage abschüttelt. Viel wichtiger als die Legalisierung meines Feierabend-Joints ist mir zum Beispiel, daß Hanf als Heilmittel für Kranke erst mal wieder in die Apotheke kommt.
Steinberg: Dieses Negativ- image löst sich doch schon rapide auf. Die Oma kommt doch schon in den Laden und erzählt, daß sie Hanf noch aus ihren Kindertagen kennt. Wenn jetzt die Droge Hanf aus der ganzen Entwicklung ausgeschlossen wird, ist es für die Debatte bald zu spät. Interview: Lars Klaaßen
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