Das Kruzifix als Bumerang

ChristInnen kritisieren Bayerns Innenminister Beckstein wegen seiner harten Haltung zum Kirchenasyl: „Beim Kruzifix ist der Umgang mit Gesetzen nicht so kleinlich“  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Auch ein Innenminister hat Restbestände von Ehre“, preßt Bayerns Innenminister Günther Beckstein hervor. Seine leicht geduckte Körperhaltung verrät: Hier ist jemand in der Defensive. Seine Füße stemmen sich gegen die Stuhlbeine, eine fast schon verzweifelt anmutende Suche nach Halt – und das auf eigenem Terrain. Der „praktizierende Christ“ Beckstein diskutiert in seiner Heimatstadt Nürnberg mit ChristInnen und steht dabei auf verlorenem Posten. Das liegt am Thema, es geht um „Kirchenasyl und Kirchenkontingent“ und an den DiskussionspartnerInnen wie dem Augsburger Pfarrer Peter Brummer, in dessen Gemeinde in Steppach die Familie des untergetauchten Kurden Fariz Simsek seit fast fünf Monaten im Kirchenasyl lebt.

Die Ausgangslage für den Innenminister und Asyl-Hardliner ist bei der Podiumsdiskussion im Caritas-Pirckheimer-Haus denkbar schlecht. Soeben hat die Freisinger Bischofskonferenz seinen Vorschlag eines Kirchenkontingents für AsylbewerberInnen zurückgewiesen. „Der Rechtsstaat kann in sich selbst keinen rechtsfreien Raum eröffnen“, haben die katholischen Bischöfe Becksteins Lieblingssatz zu ihrem Argument gemacht. Soeben hat aber auch die evangelische Kirchengemeinde Weißenburg einer kurdischen Familie Kirchenasyl gewährt und damit die Anzahl der Fälle von „klarem Rechtsbruch“ (Beckstein) im Freistaat auf sechs erhöht.

Da hilft es dem Innenminister wenig, wenn er jetzt im vollen Saal vom „weltweit einzigartigen Asylsystem in Deutschland“ redet. Gelächter kommt auf, als er die jährlich eine Million deutscher TouristInnen in der Türkei anführt. Die könnten doch bezeugen, daß „die Kurden in der Westtürkei gar nicht verfolgt“ würden. Und Empörung löst der Christsoziale aus, als er Pfarrer Brummer vorwirft, dieser würde im Kampf gegen das neue Asylrecht „Menschen wie Schachfiguren verwenden“.

„Schlichtweg unverschämt“, kontert Brummer und lädt Beckstein zu einem Besuch in Steppach ein. Dort solle er sich davon vergewissern, wie es um die abgemagerte 20jährige Sahize Simsek und deren Kinder Leyla (3) und Bilal (4) steht. „Im Zweifelsfall für den Menschen“, lautet Brummers Plädoyer. „Natürlich tun mir Frau Simsek und die Kinder leid“, ringt sich Beckstein ab, um im gleichen Atemzug zu betonen, daß es „keine Spielräume und keine Gnadenakte“ geben werde. Die Gerichte hätten nicht nur im Fall Simsek klar entschieden. „Sie gehen leichtfertig mit dem Rechtsstaat um“, wirft er den Kirchenasyl-AktivistInnen vor. Doch genau damit schießt Beckstein ein Eigentor. Hatte sich die gesamte CSU darüber gefreut, mit ihrer harschen Kritik am Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts die christlichen Bataillone wieder fest um sich geschart zu haben, erweist sich die Urteilsschelte jetzt als Bumerang.

„Der Umgang mit den Gesetzen ist in anderen Bereichen auch nicht so kleinlich“, verweist Hermann Ühlein, zuständig bei der Caritas für Asylfragen, auf das Kruzifix-Urteil. Zudem gebe es die klare Bestimmung, die eine Abschiebung bei Gefahr für Leib und Leben untersagt.

Sichtlich enttäuscht winkt Beckstein ab. Er hatte vergeblich gehofft, der Kruzifix-Streit und sein Vorschlag eines Kirchenkontingents könnte Ruhe an der kirchlichen Kritikerfront schaffen. Als Warnung oder Trumpf-As zieht er eine Grafik hervor. „Sehen Sie, wie mit der Zahl der Asylbewerber auch die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten gestiegen ist“, suggeriert er einen kausalen Zusammenhang, den er dann gleich „frappierend“ nennt.

Für den Fall, daß der Asylkompromiß in Karlsruhe kippt, prophezeit Beckstein eine „ganz schwierige Situation“. Ehrlicherweise fügt er auch gleich hinzu für wen: „Vom Wahlkampfaspekt her ist das für uns kein Problem, aber ansonsten schon“.