Bosnien: Nato Gewehr bei Fuß

■ Alle Mitgliedstaaten sollen Soldaten für „Friedensarmee“ entsenden. Rühe streubt sich

Brüssel/Sarajevo (AFP/AP/taz) – Die 16 Nato-Staaten sind sich bereits darüber einig, wie die geplante multinationale Friedenstruppe für Bosnien aussehen soll. Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel ist auf Expertenebene am Mittwoch abend eine Übereinkunft erzielt worden. Heute soll diese Einigung formell vom Nato-Rat beschlossen werden. Dann will die Nato einen Plan für die Aufstellung der Truppe entwickeln, um „so schnell wie möglich“ bereit zu sein. Im Rahmen der Vorbereitungen wird die Nato an alle Mitgliedstaaten eine Voranfrage zur Beteiligung an der geplanten internationalen Friedenstruppe richten. Dies wurde gestern in Bonner Regierungskreisen bestätigt.

Die Bundesregierung hat bisher lediglich die grundsätzliche Bereitschaft zur Beteiligung an dem Verband erkennen lassen. Insbesondere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) ist gegen eine Entsendung von Bodentruppen nach Bosnien-Herzegowina. Am Mittwoch abend sprach er sich für ein „schlankes Mandat“ der Nato zur Sicherung eines Friedens in Bosnien aus. Wenn die Nato die militärischen Operationen der Friedenssicherung in Bosnien übernehme, sei der Einschluß Rußlands wünschenswert, wenn auch schwierig, sagte Rühe.

Im Gegensatz zum Verteidigungsminister wird sich die SPD nicht prinzipiell gegen eine Beteiligung deutscher Blauhelm- Soldaten als Teil einer „Friedensarmee“ im früheren Jugoslawien wenden. SPD- Chef Rudolf Scharping sagte gestern: „Wenn es zu einem dauerhaften Frieden kommt und die UNO zu uns kommt und die früheren Konfliktparteien zustimmen, dann wird es aus den Reihen der SPD kein prinzipielles Nein geben.“

US-Außenminister Warren Christopher sagte am Mittwoch abend in New York, nach dem Abkommen über die künftige Verfassung Bosniens sei ein Waffenstillstand nun das nächste Ziel. Der Außenminister Rest-Jugoslawiens, Mihan Milutinović, verlangte ebenfalls die Einstellung der Kämpfe. US-Vermittler Richard Holbrooke soll deshalb heute die Gespräche in Sarajevo wiederaufnehmen. Der bosnische Präsident Izetbegović knüpfte dagegen die Unterzeichnung eines Waffenstillstandes gestern erneut an Bedingungen. Er forderte einen freien Zugang nach Sarajevo und Goražde sowie die Einsetzung einer Zivilverwaltung für das serbisch besetzte Banja Luka.

Beim Einschlag einer serbischen Rakete mit Streubombenwirkung wurden nach UNO-Angaben von gestern in Travnik zwei muslimische Bewohner getötet und 25 weitere verletzt.

Serben-General Ratko Mladić hat nach unbestätigten Berichten mehrere seiner Offiziere festnehmen lassen. Die Offiziere werden verdächtigt, im Auftrag der serbischen Regierung Gebiete kampflos geräumt zu haben, die nach dem internationalen Friedensplan der bosnisch-kroatischen Föderation zufallen sollen. Jeder, der die Front verläßt, so Mladić, soll künftig erschossen werden. gb