Wie Sklaven im Hollywood-Film

■ Die nächste Brent Spar? Ein britischer Dokumentarfilm über den Bau der umstrittenen Pipeline in Birma im Arsenal

Das britische Fernsehen ist – zumindest in seiner Auslandsberichterstattung – zuweilen experimentierfreudiger als das deutsche. Der unabhängige Sender Channel 4 hat vor kurzem die viel beachtete Reihe „Secret Asia“ gestartet, in der sich freie Filmemacher mit den wunderbar dezenten Hi-8 Kameras und sonstiger Touristentarnung auf den Weg machen, asiatische Geheimnisse zu dokumentieren. Selbstredend handelt es sich bei diesen Reportagen nicht um tollkühne touristische Abenteuer, vielmehr um Themen, die für die behäbige Form öffentlich-rechtlichen Fernsehschaffens allein aus „versicherungstechnischen Gründen“ niemals in Frage kämen.

Damien Lewis, ein junger, britischer Birma-Aktivist, war für den neuesten Secret-Asia-Film „Life on the Line“ acht Monate mit der Kamera in dem Gebiet zwischen Thailand und Birma unterwegs, wo derzeit eine höchst umstrittene Pipeline gebaut wird. Für 3,5 Milliarden US-Dollar hat die birmesische Militärregierung 1994 die Bohr-und Schürfrechte an die französische Total und die US- amerikanische Unocal auf 30 Jahre verkauft, mitbeteiligt ist auch der thailändische Energiekonzern PTTEP.

Weil die Pipeline vom Andamanischen Meer nach Thailand quer durch die Gebiete ethnischer Minderheiten verläuft, kann der Bau nur mit kriminellen Methoden realisiert werden – die Karen führen seit über vier Jahrzehnten einen Bürgerkrieg gegen die Junta. Entsprechend ist der Pipelinebau durch ihr Gebiet vor allem eine militärische Aktion. Offenbar aus Angst vor Terroranschlägen werden die Menschen, die in der Nähe der Pipeline leben, von der birmesischen Armee zwangsumgesiedelt.

Damit nicht genug: die vormals unzugängliche Region muß vor dem Pipelinebau infrastrukturell erschlossen werden, um die schweren Maschinen und Materialien, aber auch die birmesischen Soldaten zur Baustelle transportieren zu können. Zu diesem Zweck entsteht derzeit zwischen den Städten Ye und Tavoy eine Eisenbahnlinie unter unglaublichen Umständen.

Lewis ist es gelungen, Bilder von den Bauarbeiten aufzunehmen,– beim Sehen ist man fast geneigt, die Leute mit den schmiedeeisernen Ketten an den Beinen für Komparsen aus einem römischen Hollywood-Film zu halten! In Interviews mit Leuten, die diese Tortur überlebt haben, beginnt man die Systematik zu erahnen, mit der die Junta den altmodischen Guerillakrieg im Dschungel durch effektivere Methoden des Terrors ersetzt hat. Lewis geht es in seinem Film jedoch weniger um die Dämonisierung einer Junta, die seit über 30 Jahren in den Listen der Top ten auftaucht, wo immer Menschenrechtsverletzungen statistisch erfaßt werden. Er versucht vielmehr aufzuzeigen, daß die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Pipelinebau indirekt von den westlichen Ölkonzernen mitverschuldet sind, auch wenn sie vermeintlich nichts von all dem wissen.

Diese Einstellung ist einigermaßen bequem aufrechtzuerhalten, da es bislang weder Greenpeace noch ein Fernsehteam geschafft hat, das Gegenteil zu beweisen. Entsprechend brüsk hat die Unocal die Bemühungen einer exil-birmesischen Journalistin abgewimmelt, die die Zuständigen immer wieder um Stellungnahmen für „Life on the Line“ bat.

Lewis' Film ist vielleicht kein cinematographisches Meisterwerk, aber ein Beispiel für engagierten TV-Journalismus und ein sehenswertes Dokument für alle, die nach Brent Spar und Shell-Boykott auf der Suche nach neuen Aktionsfeldern sind. Das Arsenal-Kino zeigt „Life on the Line“ in Zusammenarbeit mit dem Berliner Verein „Burma-Project“, im Anschluß an die Filmvorführung können weitere Maßnahmen besprochen werden. Dorothee Wenner

Morgen, 18 Uhr, Arsenal, Welser Straße 25, Schöneberg