Noch stehen die Zäune

Nach der feierlichen Unterzeichnung des palästinensischen Autonomieabkommens gibt es vielfältige Proteste in Israel und im Gaza-Streifen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelische Regierung und Palästinenserführer Jassir Arafat sind weiter uneinig darüber, wann Israel mit dem Abzug der Truppen von der besetzten Westbank beginnt. Einen Tag nach der feierlichen Unterzeichnung des neuen Abkommens über die erweiterte palästinensische Selbstverwaltung erklärte Premier Jitzchak Rabin gestern im Militärrundfunk, ein genaues Datum für den Rückzug der israelischen Soldaten stehe noch nicht fest. Laut Arafat hingegen beginnt der Abzug in zehn Tagen.

In einer „Gemeinsamen Erklärung des Gipfels von Washington“ sprachen sich die Staats- und Regierungschefs der USA, Jordaniens, Ägyptens ebenso wie Israels und Jassir Arafat gestern für Friedensabkommen auch mit Libanon und Syrien aus.

Unterdessen gingen die BewohnerInnen des palästinensischen Flüchtlingslagers Daheische bei Bethlehem bereits daran, die fünf Meter hohe Lagereinzäunung, vor der stets israelische Truppen patroullieren, niederzureißen. Aber sofort tauchte schwerbewaffnete Truppen- und Grenzschutzverstärkung auf, um die zahlreichen Demonstranten mit Schreckbomben und Tränengasgranaten zu vertreiben und die Reste des Zauns zu retten. In Daheische wurde eine Ausgangssperre verhängt, und einige Demonstranten, darunter auch Mitglieder des Palästinensischen Instituts zum Studium des gewaltfreien Kampfes, wurden zusammen mit einigen israelischen Freunden festgenommen.

Die israelischen Behörden haben eine „Sicherheitsblockade“ verhängt: Mindestens bis Sonntag können die palästinensischen Bewohner des Gazastreifens und der Westbank nicht zu ihren Arbeitsplätzen in Jerusalem oder im israelischen Kernland kommen.

Durch die Zusammenstöße bei Daheische kam der Verkehr auf der Verbindungsstraße zwischen Hebron und Jerusalem zum Stocken und verlängerte so die Heimreise einiger rechtsoppositioneller Knessetmitglieder, die sich zusammen mit jüdischen Siedlern an einer lärmenden Protestaktion gegen die vorgesehene Stationierung von 400 palästinensischen Polizisten in den arabischen Vierteln von Hebron beteiligt hatten.

In Jerusalem organisierte die rechtsreligiöse israelische „Zu Arzenu“-(Das ist unser Land)-Bewegung Straßensperren. Gleichzeitig eröffneten die Führer der rechten Oppositionsparteien im Jerusalemer „Haus der Nation“ eine Unterschriftenkampagne, mit der das Volk der Erhaltung Groß-Israels Treue geloben soll.

Die „Weltvereinigung der Rabbiner für Groß-Israel“, an deren Spitze der ehemalige Oberrabbiner von Israel, Abraham Schapira, steht, stellte in einer Erklärung fest, daß die Unterzeichnung des neuen Abkommens „wertlos ist, weil das jüdische Volk das Abkommen nicht respektieren wird“. Die Erklärung der Rabbiner verbietet allen Juden, inklusive allen Soldaten, die Beteiligung an der Räumung von Siedlungen und an der Verlegung von Militärlagern in den besetzten Gebieten.

In Hebron gab es einen Proteststreik der palästinensischen Bevölkerung gegen das Abkommen. Flugblätter des „Islamischen Jihad“ und der Hamas-Bewegung rufen zu weiteren Demonstrationen gegen den Verbleib der jüdischen Siedler und israelischen Soldaten an zentralen Stellen der arabischen Innenstadt auf.