Heyms Paukenschlag

■ Der Altersprädisdent verabschiedete sich von der politischen Bühne

Bonn (taz) – Es war sein letzter großer Auftritt vor der Bonner Presse. Ein wohlinszenierter Paukenschlag sollte es werden. Hatte doch die PDS-Pressestelle am Donnerstag geheimnisvoll verkündet: „Herr Heym möchte auf einer Pressekonferenz eine Erklärung abgeben. Wir bitten um Verständnis, wenn der Gegenstand von Herrn Heyms Erklärung Ihnen erst auf der Pressekonferenz selbst mitgeteilt werden kann.“ Doch der Paukenschlag verhallte, denn die meisten Journalisten ahnten, was kommen würde: Stefan Heym, seit knapp einem Jahr Alterspräsident des Deutschen Bundestags und dort Abgeordneter für die PDS legt sein Mandat ab sofort nieder.

Die Tatsache als solche wunderte niemand. Schließlich war offensichtlich, daß der 82jährige wenig Freude an der Kleinarbeit im Parlament hatte und er sich als Alterspräsident ungenügend gewürdigt sah. Zwar erschien er regelmäßig zu den Sitzungen im Bundestag, trat aber äußerst selten in Erscheinung. Es sei denn Gregor Gysi braucht wieder einmal moralischen Begleitschutz bei einer Pressekonferenz zu den gegen ihn erhobenen Stasi-Vorwürfen.

In die Schlagzeilen geriet der Politiker Heym nur am Anfang seiner Bonner Laufbahn: Als im vergangenen Jahr pünktlich, einen Tag vor Beginn der konstituierenden Sitzung, der Verdacht lanciert wurde, Heym habe der Stasi zugearbeitet. Der künftige Alterspräsident konnte den Verdacht entkräften, stieß aber bei seiner achtenswerten Eröffnungsrede auf die massive Ablehnung der Unionsparteien. Lediglich Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth wagte zu applaudieren. Für weiteren Wirbel um Heym sorgte die Weigerung von Regierungssprecher Dieter Vogel, die Rede des Alterspräsidenten im Regierungsbulletin abdrucken zu lassen. Dann wurde es still um den eigenwilligen Schriftsteller.

Nun also zum Abschluß sorgt er wieder für Schlagzeilen. Er wolle es nicht mit ansehen, wie die Mitglieder des hohen Hauses „sich die eigenen Taschen noch kräftiger als bisher füllen“, heißt es in einer Erklärung. Und: „Ich habe gegen die willkürliche Erhöhung der Bundestagsdiäten gestimmt. Meine Stimme erwies sich jedoch, selbst im Verbund mit den Stimmen einiger anderer, als zu schwach“, erklärt er seinen Entschluß und schlußfolgert: „So bleibt mir nur ein Weg, um meinen Protest hörbar zu machen: mein Mandat niederzulegen.“

Bei diesem Schritt mag eine Menge Selbstüberschätzung mitspielen. Als er Gregor Gysi seinen Entschluß mitgeteilt habe, „war er genauso geschockt und überrascht wie Sie“, erzählt Heym den Journalisten. – Doch kein Journalist zeigte entsprechende Reaktionen. Es erschüttert in Bonn niemanden – außer vielleicht die PDS, die ihr Vorzeigegewissen verliert –, daß Stefan Heym zurückgetreten ist. Auch den Bundesrat wird er mit seinem Schritt nicht beeinflussen können. Also alles nichts weiter als eine große Geste an „die armen Leute“ in seinem Wahlbezirk Prenzlauer Berg/Berlin Mitte, denen er nach der Maueröffnung noch ihre Freude an den Konsumgütern des Westens als „Jagd nach glitzernden Tinnef“ vorgeworfen hatte? Lange hat sein politischen Feldzug, mit dem er die „Ungerechtigkeit gegen den Osten“ bekämpfen wollte, nicht gedauert. Karin Nink