Scharping bleibt. Die Genossen geh'n

■ Günter Verheugen tritt als Bundesgeschäftsführer der SPD zurück – Scharping einsam an der Spitze

Bonn (AP/AFP/rtr/taz) – Ach, es wird einsam um den Vorsitzenden Scharping. Gestern Nachmittag verließ ihn einer seiner treuesten Kämpen, Günter Verheugen. Immerhin: Er trat lediglich von seinem Geschäftsführerposten zurück, bleibt in der Partei und gar stellvertretender Fraktionschef. Verheugen begründet seinen Schritt mit der Überbelastung durch mehrere Funktionen, zu denen auch die des außenpolitischen Sprechers zählt. Die Entscheidung sei im vertrauensvollen Zusammenwirken mit Scharping gefallen, erklärte Verheugen: „Diese Entscheidung ist mir schwergefallen, weil mir die freundschaftliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Rudolf Scharping in der Parteiführung auch persönlich viel bedeutet. Ich werde Rudolf Scharping auch in meiner zukünftigen Arbeit uneingeschränkt unterstützen.“ Als Nachfolger Verheugens werden der Eßlinger Abgeordnete Siegmar Mosdorf und der saarländische Fraktionschef und Lafontaine-Vertraute Reinhard Klimmt gehandelt. Noch Anfang des Monats war die Partei Spekulationen über personelle Veränderungen standhaft entgegengetreten.

Tatsächlich wurde Verheugen insbesondere vom rechten Parteiflügel seit einigen Wochen immer heftiger kritisiert. Einen „kraftvollen Rundumschlag“ forderten Genossen, die lieber nicht zitiert werden wollten, und eine „kraftvolle Führung“, die auch personell demonstriert werden müsse. Verheugen wird auch von manchen für die mangelnde Abstimmung mit den Ministerpräsidenten in der Frage der Diätenerhöhung verantwortlich gemacht. Das Münchener Magazin Focus zitiert einen Informanten aus der Umgebung des Parteivorsitzenden mit den Worten: „Scharping sucht nach einem Ventil, und das ist die Bundesgeschäftsführung.“ Manche kreideten dem früheren FDP- Mann auch jetzt noch „mangelnden Stallgeruch“ in der Baracke an.

Andererseits war Verheugen, der im Juli 1993 seinen Job von Karl-Heinz Blessing übernommen hatte, eine treue Stimme seines Herrn. Er leitete mit deftigen Rundumschlägen die Entlassung Gerhard Schröders als wirtschaftspolitischer Sprecher der Partei ein, er ging Scharpings innerparteiliche Kritiker immer wieder bissig an, ja, er versuchte seinen schwachen Vormann zu entschlossenem Handeln zu bewegen. Scharping hat seinen Schatten geopfert – kann er ohne ihn überleben? ci