Karriere einer Krankenschwester

■ Gesichter der Großstadt: Brunhild Dathe, von den Grünen nominierte Bezirksbürgermeisterin in Hohenschönhausen, wird nach der Wahl ihren Sessel räumen

Zu ihren Ämtern kam sie immer recht unverhofft. Und jedesmal war es „ein Riesensprung“. Die politische Karriere der Krankenschwester Brunhild Dathe begann 1986, als die Kreuzberger Alternative Liste eine Frau für den Posten der Gesundheitsstadträtin suchte. „Da habe ich die Chance mit beiden Händen ergriffen“, sagt sie. 1990 ging sie als Gesundheitsstadträtin nach Hohenschönhausen. Drei Jahre später wurde sie zur ersten von den Bündnisgrünen nominierten Bezirksbürgermeisterin gewählt.

Galt sie bei den damals noch stärker links orientierten Kreuzberger Grünen als zu moderat, kommt heute ihre bodenständige, pragmatische Art in Hohenschönhausen gut an. In ihrem dunkelgrünen Schneiderkostüm wirkt sie seriös, selbstbewußt und ein wenig mütterlich. Gerne hätte die 44jährige Parteilose eine zweite Amtszeit angetreten, doch ausgerechnet ihr Steckenpferd, die Verwaltungsreform, macht dies höchst unwahrscheinlich. Künftig haben nur noch die Fraktionen, die auch einen der fünf Stadträte stellen, Anspruch auf den Bezirksbürgermeistersessel. Die Bündnisgrünen müßten dafür über 14 Prozent Stimmen bekommen, in einem östlichen Außenbezirk eine hohe Hürde.

„Was mich schmerzt, ist, daß ich die Umsetzung der Verwaltungsreform im Bezirk nicht mehr vorantreiben kann“, sagt sie. Denn da sei in den letzten Jahren ihr „Herzblut“ reingeflossen. Es sei ihr Verdienst, daß Hohenschönhausen bei der Umsetzung der Reform im oberen Drittel der Bezirke liegt.

Von der Verwaltungsreform erhofft sie sich eine größere Kostentransparenz. Nur so lasse sich feststellen, wo überhaupt Einsparungen möglich seien. „Es ist absehbar, daß wir nach den Wahlen sparen müssen wie verrückt!“ bekräftigt sie. „Wie man intelligent sparen kann, kann eine Domäne der Grünen werden.“ Damit hat sie in ihrem eigenen Büro angefangen. Die Wandschränke aus Nußbaumfurnier ließ sie einfach in dezentem Grau überstreichen, jetzt wirken sie modern und wie neu.

Was den meisten als dröge Materie erscheint, ist ihr zur Passion geworden. „Die Verwaltung braucht dringend einen Modernisierungsschub“, sagt sie nachdrücklich. Sie müsse vor allem bürgernäher werden. „Es kann doch nicht angehen, daß ein Neuberliner volle acht Tage braucht, um alle mit dem Umzug verbundenen Formalitäten zu erledigen.“ Ob Personalausweis, Lohnsteuerbescheinigung oder Schulanmeldung der Kinder, alles solle an einer Stelle, in einem Bürgerbüro zu erledigen sein.

Ihre Pläne, im vergangene Woche eingeweihten Einkaufszentrum ein solches Bürgerbüro einzurichten, scheiterte allerdings an den Gegenstimmen der PDS. Wohl eine Retourkutsche für ihren Abgrenzungskurs. Zur Bürgermeisterin wollte sie sich damals keinesfalls mit den Stimmen der PDS wählen lassen.

Dabei begann die Politisierung der 44jährigen in den 70er Jahren bei der KPD-ML. In dem Frankfurter Krankenhaus, in dem sie ihre Ausbildung machte, schloß sie sich der ersten „Zelle Rote Medizin“ an. Heute lehnt sie jede Form von Dogmatismus ab, das Interesse an alternativen Heilmethoden ist geblieben.

Den Kontakt zu den BürgerInnen findet sie leicht. „Ich bin nicht so abgehoben“, sagt Dathe, die sich über den zweiten Bildungsweg hochgearbeitet hat. Erst holte sie die Mittlere Reife nach, dann das Abitur. Sie begann Medizin zu studieren, später Sozialpädagogik. Doch als sie vor neun Jahren in die Politik ging, war an einen Abschluß nicht mehr zu denken.

Für die Zeit nach der Wahl hat sie noch keine festen Pläne. Sie könnte sich vorstellen, als Beraterin für die Verwaltung zu arbeiten. Auch die Politik reizt sie weiterhin. „Wenn mir ein Mandat angetragen würde, würde ich nicht nein sagen.“ Dorothee Winden