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■ Vier Giganten: Alevitische Musik in der Philharmonie

„Arif Sag ist Gott“, meint mein Gesprächspartner lächelnd. Nun ist das Attribut „göttlich“ schon verschiedenen anderen Saitenvirtuosen angehängt worden – von Eric Clapton über Jimi Hendrix bis John McLaughlin. Aber Arif Sag spielt nicht elektrische Gitarre, sondern die türkische Langhalslaute Baglama, und zwar meisterhaft. Berühmte türkische Interpreten, wie jüngst Sezen Aksu und Zülfü Livaneli, sichern sich regelmäßig seine Unterstützung, um ihre eigenen Produktionen zu veredeln. Arif Sag ist für die Baglama das, was Ravi Shankar für die Sitar ist. Doch während sich Sitar und Bouzouki, Sirtaki und Flamenco in Deutschland mittlerweile allgemeiner Beliebtheit erfreuen, ist die türkische Musikkultur bisher allenfalls Insidern ein Begriff. Die Berliner Baglama-Gemeinschaft will das nun ändern und präsentiert morgen in der Philharmonie vier der prominentesten Baglama-Spieler, die die traditionelle anatolische Volksmusik vorstellen und gemeinsam improvisieren: Arif Sag, Ali Ekber Cicek, Yavuz Top und Musa Eroglu – ein Treffen der Giganten.

Die vier Musiker versammeln sich zu einem „alevitischen Liederabend“. Damit ist die Musik der Aleviten gemeint – jener islamischen Richtung in der Türkei, in deren Tradition die Musik eine ähnlich zentrale Rolle spielt wie die Rezitation des Korans bei orthodox-sunnitischen Muslimen. Die Aleviten gebrauchen den Koran in ihren religiösen Zeremonien gar nicht – statt dessen beten sie in türkischer Sprache und spielen die Baglama. Alevitische Lieder haben religiöse oder politische Inhalte – letztere behandeln oft den Topos des Widerstands gegen Willkürherrschaft.

Mit Unterdrückung haben Aleviten reichlich Erfahrung. Erst vor zwei Jahren überfielen islamische Fundamentalisten in der mittelanatolischen Stadt Sivas ein alevitisches Kulturfest und steckten den Veranstaltungsort in Brand. Einige der Teilnehmer entkamen nur knapp den Flammen – darunter Arif Sag und Musa Eroglu. 36 Menschen starben bei dem Anschlag, der zu einem Symbol für das aufgeheizte Klima der politischen Gewalt und der religiösen Intoleranz in der Türkei wurde. Daniel Bax

Morgen, 20 Uhr, Philharmonie, Matthäikirchstraße 1