"Ich will nicht Hehlerei unterstützen"

■ Alteigentümer von Mauergrundstücken fordern Gesetz zur Rückgabe / "Dokumentationsstätte des Unrechts" in Altglienicke eröffnet / Ehemalige Eigentümer protestieren mit Bündnisgrünen

„Ohne Wenn und Aber“ soll die Bundesregierung sich für eine Rückgabe der Mauergrundstücke an ihre Alteigentümer entscheiden. Diese Forderung betonte die Interessengemeinschaft ehemaliger Grundstücksbesitzer Berlin e. V. gestern. Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eröffnete sie in Altglienicke eine „Dokumentationsstätte des Unrechts“. Auf dem ehemaligen Todesstreifen wurde eine Kellerruine freigelegt — Überrest eines Hauses, das 1961 beim Mauerbau zerstört wurde und nun symbolisch herhalten muß.

Die Interessengemeinschaft und ihre Unterstützer werfen der Bundesregierung vor, die Entscheidung für eine gesetzliche Grundlage zur Beseitigung des Unrechts seit zwei Jahren zu verschieben. „Obwohl die Grundstücke zum Bau der Mauer nach dem Verteidigungsgesetz der DDR enteignet wurden, behandelt die Bundesregierung diese immer noch als ,rechtmäßig‘ enteignet“, kritisiert die Bündnisgrünen-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Die Mauergrundstücke sind nach dem Einigungsvertrag aus dem Jahre 1990 als Ganzes dem Bundesbesitz zugefallen. Allein in Berlin gibt es über 1.500 Mauer- und Grenzgrundstücke. Eine Berliner Gesetzesinitiative zur Rückgabe der Grundstücke ist inzwischen auch schon vom Bundesrat mehrheitlich beschlossen worden.

Bei einer Beratung des Rechtsausschusses des Bundestages am vergangenen Mittwoch hatten die SPD und die Bündnisgrünen ebenfalls eine Entscheidung über die Rückgabe der Grundstücke gefordert. Die Koalitionsfraktionen machten daraufhin deutlich, am 13. Oktober über eine Rückerwerbsregelung mit Rabatt entscheiden zu wollen.

„Ich will doch nicht die Hehlerei der öffentlichen Hand unterstützen“, ärgert sich Alteigentümer Henrik Epstein über die mögliche Rückerwerbsregelung, die vorsieht, daß Alteigentümer ihre ehemaligen Grundstücke der Bundesregierung zu einem Vorzugspreis abkaufen können.

„Moralisch und politisch ist das verwerflich“, urteilt auch Michael Cramer, Mitglied der bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Es gibt in unserer Rechtsprechung den Begriff ,Rückenteignung‘, der eine Rückgabe zwingend macht, wenn die Voraussetzungen weggefallen sind, die die Enteignung legitimiert hatten“, nennt Michael Cramer einen Grund, warum auch für ihn und seine Fraktion die Rückerwerbsregelung nicht in Frage kommt.

Für Konrad Bautz, Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft, ist die neue „Dokumentationsstätte des Unrechts“ mit vielen persönlichen Erinnerungen verknüpft. Die Kellerruine ist nämlich Überbleibsel des Hauses, das Bautz' Vater kurz vor Kriegsbeginn gebaut hatte.

„Ich könnte nach den Vorschlägen der Regierungskoalition mein Grundstück zu 30 Prozent des aktuellen Verkehrswertes zurückkaufen. Die dazu benötigten 60.000 Mark stehen mir nicht zur Verfügung“, schrieb Bautz Anfang September in einem Brief an den Vorstand der Bundestagsfaktion der SPD: „Ich müßte das Grundstück sofort verkaufen.“ Einen privaten Käufer, so Bautz, würde er aber auch nicht finden, „da auf dem Mauerstreifen am südöstlichen Stadtrand von Berlin der Bau einer Autobahntrasse geplant ist“. Bert Arne Meyer