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■ Prinzen-Chef und Männer-Mann im Ost-West-DialogSchon wieder Vereinigung

Prinzen-Frontmann Sebastian Krummbiegel und „Männer“- Mann Heiner Lauterbach trafen sich im Rahmen eines japanischen Essens in Hamburg zum angeregten Plausch über Gesamtdeutschland. Während der Schauspieler in der Hansestadt gerade eine neue Staffel für die ZDF-Serie „Faust“ drehte, arbeitete der Sänger mit dem Rest der Prinzen in den Hamburger Boogie-Park-Studios am jüngsten Album „Schweine“. Mit am (runden) Tisch saß Wahrheit-Autor Benjamin v. Stuckrad-Barre.

Heiner Lauterbach: Was ich dich sowieso mal fragen wollte, diese Puhdys, hat das irgend etwas mit der PDS zu tun?

Sebastian Krummbiegel: Nein, die PDS gab es erst später, aber sag nichts gegen die PDS.

Heiner: Ich wollte doch nur fragen, ob das in irgendeinem Zusammenhang zueinander steht.

Sebastian: Nee, Quatsch, die Puhdys gibt es seit über 25 Jahren und die PDS erst seit drei Jahren ...

Heiner: Und das war vorher auch nicht irgendein Kürzel?

Sebastian: Nee. Vielleicht hat es auch was mit der SPD zu tun.

Heiner: Dann müßte man's umdrehen.

Sebastian: Die Supies (lacht). Nee, die Puhdys waren eine richtige Kultband.

Heiner: Die waren aber nicht dem Regime hinterher, oder?

Sebastian: Das kann man nicht immer so trennen. Der Haken ist, daß die Westler sich gar nicht in das Denken der Ostler reinversetzen können. Deshalb ist diese ganze Treibjagd auch totaler Schwachsinn.

Heiner: Stimmt, das ist eine Unverschämtheit. Früher sind sie dem Honecker in den Arsch gekrochen und jetzt ... Die sollen doch die ganze Scheiße vergessen. Das mit den Mauerschützen kommt einem ja vor wie Nürnberger Prozesse.

Sebastian: Noch mal zu deiner Frage nach Regimetreue: Es hat schon viel Scheiße gegeben in diesem Land, aber jeder wußte, wie weit er gehen konte. Das war eine unheimliche Gratwanderung, die viel spannender war als hier im Westen. Hier kannste dich zwar hinstellen und sagen, der Kohl ist ein Arschloch, aber damit erreichst du nichts, das verändert nichts.

Heiner: Weil es nicht verboten ist, deshalb ist es nicht so sensationell. Habt ihr eigentlich irgendwelche Bilanzen, wie gemischt euer Publikum bezüglich Ost/West ist?

Sebastian: Also im fernen Osten kaufen ziemlich wenig Leute unsere Platten (lacht).

Heiner: Nein, ich meine natürlich die Ex-DDR. Es gibt ja auch Süd- und Norddeutschland, deshalb sage ich auch mit reinem Gewissen Ostdeutschland.

Sebastian: Da gibt es wohl keine großen Unterschiede.

Heiner: Also, ich muß sagen, daß ich erstaunlich viele Fans in Ostdeutschland habe.

Sebastian: Ja, die können auch schreiben, Briefe und so.

Heiner: Du übernimmst langsam Benjamins Zynismus. Ich habe schon vor dem Mauerfall tierisch viele Briefe von dort gekriegt, die haben einfach einen besseren Geschmack. Nee, die sind einfach nur weniger versaut.

Sebastian: Genau, das denke ich auch. Es gibt noch immer einen riesigen Unterschied zwischen Ost und West.

Heiner: Natürlich gibt es den. Guck dir doch alleine mal an, wie die da drüben wohnen. Mein Vater hat in Leipzig eine Firma aufgemacht, und ich bin mit ihm durch die Straßen gezogen, und der ist völlig verrückt geworden. „Warum stehen hier keine Kräne, warum wird hier nichts gemacht?“

Sebastian: Aber jetzt wird was gemacht, tierisch viel sogar.

Heiner: Na ja, das ist nun auch schon zwei Jahre her. Aber so einfach wie erhofft geht das mit der Einheit eben doch nicht.

Sebastian: Das war ja auch das Anliegen der Bürgerrechtler, daß es eben keine große Vereinnahmung wird. Und daß es eben doch so geworden ist, erklärt den momentan großen Frust.

Heiner: Klar, die Leute wollen immer noch sie selbst sein.

Sebastian: Es haben sich einfach Grundwerte und Einstellungen geändert. Früher haben wir gewußt, da hängt irgendwo eine rote Fahne, und die haben die wenigsten ernst genommen. Diese ganzen politischen Parolen hat kaum noch einer wahrgenommen.

Heiner: Es ist natürlich auch unheimlich schwer für die Leute, die sind ja von einer Diktatur in die nächste geschlittert. Nur ist es auch für uns schwer. Die ersten beiden Folgen von dieser „Faust“-Staffel habe ich mit einem ostdeutschen Team gedreht, also Regisseur, Kamera waren alle von drüben. Wir haben beim Drehen unheimlich viele amerikanische Begriffe, „Off“, „On“, dann machen wir einen „Close-up“, dann einen „Pick-up“. Und dann fragt der Ostler: „Off ist, wenn man nicht im Bild ist oder was?“ Dann denke ich, der will mich verarschen. Ich habe mich mit dem dann dauernd über Kleinigkeiten gestritten, obwohl ich den eigentlich ganz gerne mochte. Man kommt einfach aus verschiedenen Welten, da herrscht eine unheimliche Spannung.

Sebastian: Das wird auch noch eine Weile so gehen.

Heiner: Aber bei uns beiden geht das doch auch ohne.

Sebastian: Das ist aber auch was anderes. Die Leute im Osten werfen mir teilweise vor, schon ein halber Westler zu sein.

Heiner: Da kann man wohl nichts machen.

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