■ Scheibengericht
: Herbert Henck

Federico Mompou: Musica Callada (EDM New Series 1523)

Der Musik des katalanischen Komponisten Federico Mompou (1893–1987) fehlt fast alles, was „große“ Klaviermusik oft bestimmt: Akkordgedonner und Tastenraserei, dramatische Höhepunkte und die große Geste. Mompou fühlt sich eher der Schule der Stille eines Erik Satie verbunden, er hängt dem Gedanken einer Musik als Stimme des Schweigens nach. Bei einigen seiner Stücke hat er den Schluß bewußt offen gelassen. Der sonst übliche Doppelstrich fehlt. An den letzten Noten sind Bögen angebracht, um die Musik symbolisch weiterzuführen über das Ende hinaus – ins Leere. Damit rückt er Klangphänomene ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die erst dann entstehen, wenn die Musik schon vorüber ist, die verklingenden Töne sich unkontrolliert im Raum mischen und brechen.

Diesen Nachhall hat der Pianist Herbert Henck zum Kern seiner Interpretation gemacht. Nur kurz reißt er die Melodien an. Die Töne verschwimmen langsam, und der sachte Anschlag verliert sich in der Ferne. Mompou hat 28 Miniaturen zu einem Kompositionszyklus zusammengefaßt, der einem Gedicht des spanischen Mystikers San Juan de la Cruz (1542–1591) nachempfunden ist (es beschwört die „klangvolle Einsamkeit“). Die Stücke sind knapp gehalten, werden von einfachen Melodien getragen und lassen alles Überflüssige vermissen. Langsamkeit bestimmt ihren Fluß bis zum Stillstand.

Es sind Klänge, die keinerlei Aufhebens von sich machen und ihre Qualität eher verbergen als lauthals hinausposauen. Mompou hat sie „Musica Callada“ genannt – verschwiegene Musik.