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: Laute Hilfe für Neuperlach

In Alabama haben sie vor kurzem die chaingangs, das Anketten der Strafgefangenen, wiedereingeführt. In Bayern, auch ein Südstaat, aber eben doch viel aufgeklärter, wird derzeit eine andere Variante des Strafvollzugs erprobt: das Taxifahren. Und das sogar auf freiwilliger Basis und noch vor der Verurteilung. Prominenter Vertreter der Droschkenhaft: Gerhard Bletschacher, 64, ehemaliger Chef der CSU-Fraktion im Münchner Rathaus. „Bletschi“ mußte vor einigen Monaten seinen Hut nehmen, als ruchbar wurde, daß er 4,9 Millionen Mark Spendengelder der von ihm gegründeten „Stillen Hilfe für Südtirol“ in seine marode Käseschachtelfabrik umgeleitet hatte. Die Firma ging trotzdem pleite. Rechtzeitig vor der Jahresmitgliederversammlung des geprellten Vereins überraschte Bletschacher nun die Öffentlichkeit mit einem rührenden Bekenntnis. „Bletschi jetzt Taxler“, berichtete am Freitag unisono die Münchner Boulevardpresse. Die Prüfungen habe Bletschacher mit links geschafft. Nach elf Jahren im Stadtrat kenne er schließlich jedes Straßerl in München. Selbstauferlegte Einzelhaft mit ständiger Besuchserlaubnis? Sic transit gloria Bletschi.

Das Timing läßt vermuten, daß Bletschacher mit dem Taxischein gleichzeitig auch eine Art Jagdschein erwerben wollte. Wo soviel Tragik waltet, würde die Empörung bei der „Stillen Hilfe“ vielleicht gedämpfter ausfallen und auch den ermittelnden Staatsanwalt könnte ja Rührung ergreifen. Denn nicht einmal im eigenen Wagen kurvt Bletschi durch die Straßen. Nein, der Mercedes gehört einem Taxiunternehmen in Sendling. Und aus dem eigenen Haus ist er mit seiner treuen Frau in eine Zweizimmermietwohnung in Neuperlach umgezogen.

Wieso eigenlich Südtirol? Sieh, das Elend ist so nah. Wenn die Jahresversammlung nur einen Funken Menschlichkeit hat, wird sie die längst fällige Umwidmung der Stiftung endlich offiziell beschließen. Bergbauern bei Meran, pah. Unser Mitleid gilt dem kleinen Angestellten in Neuperlach. Er braucht unsere Hilfe. Mehr denn je. Thomas Pampuch