■ Mit Chiracs Atombomben auf du und du
: Test Nummer zwei

Berlin (taz) – Die zweite Atombombe innerhalb eines Monats hat Frankreichs Präsident Jacques Chirac am Sonntag auf dem polynesischen Fangataufa-Atoll zünden lassen. Schon der Ort ist ein Signal. Fangataufa liegt etwa 40 Kilometer südwestlich der Haupttestinsel Moruoa. Der Korallenring Fangataufas ist mit 35 Kilometern Umfang zwar nur halb so groß wie der von Moruroa (63 Kilometer). Doch hat das französische Militär auf dem kleineren Atoll seit jeher die größeren Atombomben gezündet. Auf Fangataufa explodierte im April 1968 die erste französische Wasserstoffbombe, und im Juni 1975 erfolgte dort der erste unterirdische Atombombentest. Experten sagen, das Atoll sei besser für die großen Tests geeignet.

Ausprobiert haben die französischen Militärs diesmal den Sprengkopf TN-75. Diese Bombe mit einer Sprengkraft von bis zu 150 Kilotonnen TNT soll ab Mitte 1996 auf Frankreichs modernen Atom-U-Booten stationiert werden. Der Test vom Sonntag soll eine Stärke von 110 Kilotonnen gehabt haben und damit rein rechnerisch sechsmal so stark wie die Atombombe von Hiroshima gewesen sein. Die Explosion – die viertstärkste der bisher 206 französischen Versuche – erzeugte jedenfalls ein Erdbeben von 5,9 auf der Richter-Skala.

Viele in der Atomtestgemeinde hielten diesen zweiten Atomtest in Chiracs Programm für so überflüssig wie einen Kropf. Der TN-75 ist nämlich als Bestandteil des atomaren Rüstungsprogramms der sozialistischen Präsidenten François Mitterand bis Anfang der neunziger Jahre schon zweiundzwanzigmal getestet worden. Trotzdem mußte TN-75 auf Fangataufa in die Luft gehen: Das französische Militär bestand darauf, als „letzte Sicherheitskontrolle“, bevor die Sprengköpfe auf sogenannte M-45 Raketen montiert und mit den neuen „Triomphant“-U-Booten der Marine auf die große Fahrt geschickt werden. Die M-45 selbst hatte im Februar ihren Jungfernflug gehabt und war von einem U-Boot vor der Bretagne aus 4.500 Kilometer weit in die Karibik geflogen. Jede M-45 soll künftig sechs der TN-75 Sprengköpfe tragen.

Anfang November will Präsident Chirac die dritte Atombombe zünden. Die nach französischen Angaben jetzt noch ausstehenden bis zu sechs Versuche sollen vor allem zwei Dinge tun: Die Zuverlässigkeit alter Atombomben testen und Meßdaten für die Entwicklung ganz neuer Sprengköpfe erbringen. Der Codename dieser neuen Atombomben ist TN-N.

Der TN-N soll in etwa 20 Jahren als Mehrfachsprengkopf auf der kommenden Generation französischer U-Boote eingesetzt werden. Mit TN-N soll die Reichweite der Force de frappe, die mit dem TN-75 auf über 6.000 Kilometer steigt, weiter vergrößert und die Zielgenauigkeit noch verbessert werden. Atomwaffensperrvertrag hin oder her: Die Atomtests von heute bereiten das atomare Wettrüsten von morgen vor. Hermann-Josef Tenhagen