Revolutionäre ehrt man doch

Am Tag der deutschen Einheit enthüllte die Politprominenz in Luckenwalde eine Gedenktafel für Rudi Dutschke, der hier zur Schule gegangen und gemaßregelt worden ist  ■ Von Annette Rogalla

Auch Revolutionäre werden geehrt. Und das im Osten, recht symbolträchtig am Tag der deutschen Einheit. Die Politprominenz von Luckenwalde bei Berlin enthüllte gestern eine Bronzetafel für Rudi Dutschke, ganz nah am Eingang zum örtlichen Gymnasium. „Die Stadt erinnert an den Mitbegründer der 68er Bewegung, der diese Schule von 1954 bis 1958 besuchte“ heißt es auf ihr ganz unpathetisch. Um diese schlichten Worte gab es in den vergangenen Monaten viel Streit. Die Schulkonferenz des Gymnasiums hatte es abgelehnt, in der Aula der Schule eine Gedenktafel anzubringen. Dort war seinerzeit der Schüler Dutschke zum ersten Mal öffentlich gemaßregelt worden. Er hatte sich geweigert, zur Nationalen Volksarmee zu gehen. Zum Abitur bekam er die Quittung: Der Schulleiter schrieb ihm ins Abschlußzeugnis: „inaktive gesellschaftliche Haltung“. Rudi Dutschke wurde nicht zum Studium zugelassen.

Heute, 37 Jahre später, scheint Schulleiter Michael Kohl noch immer im pädagogischen Bann seines staatstragenden Vorgängers zu stehen. Statt der Gedenktafel für Dutschke möge man doch lieber eine „Ehrengalerie für bedeutende Lehrer und Schüler anfertigen, die hier gelehrt und gelernt haben“, hatte er gefordert und die meisten Lehrer und Lehrerinnen hinter seine ablehnende Haltung geschart. Doch ihr Einflußbereich hört an der Eingangshecke auf. Auf dem Bürgersteig beginnt das städtische Territorium. Und da steht jetzt die Tafel. Die Stadtversammlung hatte es so beschlossen. „Wir vergewaltigen weder die Schule noch andere Meinungen. Wir setzen uns mit Geschichte auseinander“, meinte Peter Blohm, Bürgermeister und parteilos, bei der offiziellen Enthüllung.

„Die Tafel wird wenig bewirken“, mutmaßt Franco Ulrich, Deutsch- und Geschichtslehrer am Luckenwalder Gymnasium. „Sie zeigt aber sehr deutlich, welche Erregung der Dutschke heute noch verursachen kann.“ Und vielleicht werden einige seiner Kollegen sich doch einmal intensiver mit dem ersten gesamtdeutschen Revolutionär befassen und mehr über ihn wissen wollen als das, was sie bislang am Lehrertisch verbreiten. „Dutschke war ein Chaot, der Dynamit im Kinderwagen spazierengefahren hat. Dem sollen unsere Kinder nicht nacheifern“, hört Ulrich im Lehrerzimmer.

Die große Dummheit hat sich auf die Schüler und Schülerinnen übertragen. Nicht wenige plappern die Sprüche der Lehrer nach. Unwissenheit über Dutschke mag der Grund gewesen sein, weswegen gestern gerade eine Handvoll Schülerinnen zum Gedenken gekommen sind. Katja, 15, ärgert sich darüber. „Der Mann war ein ziemlicher Kämpfer.“ Was sie an Dutschke fasziniert? Aufrecht sein, eine eigene Meinung vertreten zu können! Katja will von Dutschke lernen. Mit anderen Schülern bereitet sie eine Ausstellung vor. Erinnerungen an einen Kämpfer aus Schülersicht. Demnächst zu sehen im Heimatmuseum von Luckenwalde.