Ein paar Böller gegen das „Einheitsgesülze“

■ Ruhige Demo mit starken Sprüchen in Düsseldorf. Knapp dreitausend Einheitsprotestierer wurden von genauso vielen Polizisten fürsorglich belagert

Düsseldorf (taz) – Ein paar kaputte Schaufensterscheiben, ein ausgebranntes Auto, sechs festgenommene Jugendliche: Die Nacht zum fünften Jahrestag der deutschen Einheit ging in Düsseldorf glimpflich ab.

Weitgehend ruhig blieb es gestern auch bei der von knapp 3.000 Leuten aus dem linken und linksradikalen Spektrum besuchten Demonstration durch die Düsseldorfer Innenstadt. Bis zum Redaktionsschluß flogen nur ein paar Böller, doch die befürchtete Randale gab es nicht. Die Polizei hatte weit mehr als 3.000 Beamte im Einsatz, die sich jedoch versuchten im Hintergrund zu halten. Selbst der etwa ein Drittel der TeilnehmerInnen ausmachende autonome Block blieb gestern von der - inzwischen auch bei genehmigten Demonstrationen fast schon üblichen seitlichen - Sonderbegleitung durch SEK-Einheiten beinahe verschont.

„Es gibt nichts zu feiern. Keine deutschen Kriegseinsätze. Organisiert den Widerstand gegen die Großmachtpolitik der BRD“, so lautete die Botschaft, mit der eine Gruppe von PDS-Mitgliedern den Demonstrationszug anführte. „Solidarität mit den politischen Gefangenen“ skandierten einige Vermummte und ein paar ältere KPD- Mitglieder forderten „eine unabhängige DDR“. Schwarz-rot-goldenen Fahnen gab es in dem bunten Zug auch – allerdings nur solche mit Hammer und Zirkel.

Die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die die Demonstration auch angemeldet hatte, sagte zum Auftakt der Kundgebung, „daß die Herrschenden in diesem Land allen Grund haben zu feiern“, denn seit dem „Anschluß der DDR haben sie bei der Umsetzung ihrer Politik große Fortschritte gemacht“. Die Opposition dagegen sei viel zu schwach. Auch „Teile der Grünen“ hätten „ihren Burgfrieden mit den Herrschenden geschlossen“.

Um 16.30 Uhr, so lautete die Auflage der Polizei, sollte Schluß sein mit dem Demonstrieren. Der Grund: Ein Einheitsspaß im Düsseldorfer Schauspielhaus, für den frühen Abend geplant.

Ins Schauspielhaus hatte der für die diesjährige Feier verantwortliche nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau zur Revue „Checkpoint Charlie“ geladen. Und dessen Gästen mochte man den Krach von der in unmittelbarer Nähe des Schauspielhauses geplanten Abschlußkundgebung offenbar nicht zumuten.

Doch nicht nur Autonome und PDS mochten in die offiziellen Lobgesänge nicht einstimmen. Auch der Düsseldorfer Fraktionssprecher der Grünen, Roland Appel, sah am fünften Jahrestag der Einheit „keinen Grund zum Jubeln, sondern zur Sorge um politische und demokratische Defizite“.

Die meisten Grünen-Spitzenleute – Linke wie Realos – reihten sich dennoch brav ein beim offiziellen Festakt – samt Empfang.

Besonders scharf fiel die Reaktion des kleinen Häufleins von der „Rheinlandpartei“ aus. Die sich als europäische Förderalisten verstehenden Antipreußen sprachen von einem „widerlichen Einheitsgesülze“ und geißelten den „Retortenfeiertag“. Statt des „Kohlfestes“ fordern sie einen „Europäischen Integrationstag“ als „besten Schutz vor den derzeit übermächtig scheinenden Ungeistern“. Walter Jakobs