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Wenn Schimmel dem Islam im Mondschein begegnet

■ Schriftsteller und Publizisten untersuchten in Berlin Tiefen und Untiefen einer Friedenspreisträgerin

Noch elf Tage bleiben bis zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Annemarie Schimmel. Während der Stiftungsrat des Börsenvereins stur bleibt, gibt es kaum noch jemanden, der die Verleihung verteidigen will. Die gespenstische Debatte um den Grad der Verfolgtheit der „falschen Märtyrerin“ Taslima Nasrin, losgetreten von der Süddeutschen Zeitung, hat die Diskussion noch angeheizt (taz vom 29. 9.).

Auch im Berliner Haus der Kulturen der Welt war man sich am Dienstag abend einig in der Ablehnung. Neben Nasrin sprachen dort Herta Müller, Hans Christoph Buch, Sabine Kebir und Bahman Nirumand. Meinungsverschiedenheiten gab es allenfalls im Detail. Herta Müller wiederholte den Vorwurf, Schimmel habe die Fatwa gegen Salman Rushdie verteidigt. Wer Schimmel eigentlich vorgeschlagen habe, wisse im Börsenverein niemand mehr. Gerüchten zufolge habe der Bundespräsident die Hand im Spiel gehabt, der Frau Schimmel auch zum Staatsbesuch in Pakistan mitnahm und in der Paulskirche die Laudatio halten wird.

Bahman Nirumand erwiderte, nur wer ihr Werk nicht kenne, könne die „vortreffliche Orientalistin“ der Sympathie mit den Fundamentalisten bezichtigen. Es sei ihre politische Blindheit und ihre Naivität, die sie in die Nähe der Diktatoren gebracht haben: „Der alten Dame fielen die machtgierigen Verbrecher nicht auf, die ihre Gesichter unter der Maske des Islam verbergen. Sie suchte die Ruhe, die Geborgenheit, das Kerzenlicht, die Unendlichkeit“ in einer vermeintlich heilen, weil vormodernen Welt. Annemarie Schimmel, eine Greisin, die — wissenschaftlich brillant — einer kindlichen Sehnsucht hinterherläuft.

Diese Disposition scheint Schimmel für den Börsenverein tatsächlich auszuzeichnen: Sie erklärt uns den Islam. Sie trägt dazu bei, so die Argumentation, das düstere Feindbild mit seinen fanatisierten Horden auszulöschen. Doch der Schuß geht nach hinten los, so Sabine Kebir. Auch deshalb, weil man damit in der Logik bleibt, die dieses Feindbild entstehen ließ: der Reduktion der Konflikte mit den islamischen Staaten auf ihre religiösen Aspekte. Der Golfkrieg etwa war kein Glaubenskrieg, es ging um Öl und Politik. Und da endet die Kompetenz auch der besten Religionswissenschaftlerin (denn das ist eine Orientalistin auch heute noch). Ein absurder Gedanke, die islamischen Gesellschaften nur durch die Brille des Korans verstehen zu wollen.

Taslima Nasrin war der Star des Abends. Sie wird nicht nur von Fundamentalisten verfolgt, auch von Annemarie Schimmel mußte sie sich in einem Zeit-Leserbrief schon verhöhnen lassen. Allzuweit wollte sie sich nicht aus dem Fenster hängen, das sei Aufgabe der deutschen Intellektuellen, meinte sie gegenüber der taz: „Sie sollten mehr tun.“ Statt dessen referierte sie über die Ursachen des Fundamentalismus. Daß man sich in Deutschland damit brüste, Personen wie ihr Schutz zu bieten, und andererseits einer Annemarie Schimmel den höchsten politischen Preis verleihe, könne sie nicht verstehen. Jörg Häntzschel

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