Spekulationen über Anschlag in Makedonien

■ Nach dem Gligorov-Attentat fällt der Verdacht auf einheimische Nationalisten

Berlin (taz) — Das Attentat auf den makedonischen Präsidenten Kiro Gligorov hat noch keine Täter. Es gibt weder Bekennerschreiben noch Beweise. Das bisher einzige Indiz ist der Zeitpunkt: Am Tag des Attentats begannen in Athen die Verhandlungen über die Aufhebung des griechischen Embargos gegen Makedonien. Heute sollte im Parlament von Skopje die Fahne der jungen Republik geändert werden.

Das erste Ereignis ist eine Zumutung für die Schwarzmarkt-Mafia, das zweite für die einheimischen Extremisten, die schon zu einer Protestdemonstration gegen den Ausverkauf ihrer nationalen Symbole aufgerufen hatten. In Skopje kann also noch spekuliert werden, ob die Täter politische oder kommerzielle Motive haben.

Wenn die politischen Motive überwiegen, ist automatisch die VMRO in Verdacht. Doch die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“ ist in mehrere Fraktionen zerbrochen. Eine terroristische Gruppe als Spaltprodukt wäre angesichts der Tradition der VMRO ohne weiteres denkbar. Die Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Organisation hat ihre politischen Kämpfe wie ihre inneren Streitigkeiten immer wieder mit Bomben und Attentaten ausgetragen. Die Tito-Ära überlebte die VMRO als Emigranten-Chauvinismus, der in Australien und Kanada vor allem unter den Slawomakedoniern Fuß fassen konnte, die im Bürgerkrieg mit den kommunistischen Partisanen aus Griechenland vertrieben wurden.

Diese Emigranten erfanden auch den „Stern von Vergina“ als ihr nationales Symbol. Es reklamiert den Anspruch auf eine glorreiche Geschichte, die in einem grotesken Kult um den altgriechischen makedonischen Eroberer Alexander den Großen gipfelt. Den traditionellen Anspruch auf Thessaloniki und das griechische Makedonien hat die offizielle VMRO seit einiger Zeit aufgegeben. Aber der Irredentismus ist noch tief verwurzelt. Und daß das Vergina-Symbol von dem roten Grund der makedonischen Flagge entfernt werden soll, muß die verbohrtesten VMRO-Vertreter aufs äußerste verbittert haben. Umso mehr, als ihre Landsleute den Kompromiß mit Athen freudig begrüßen, weil ihnen die Einkaufsfahrten nach Thessaloniki und die Ferien an der Ägäisküste wichtiger sind als nationalistische Symbole. Niels Kadritzke

Kommentar S. 10 / Portrait S. 11