Schnitzel Müllerin

■ Kneipenleben soll in die Mühle am Wall einziehen: Der Wettbewerb für den Umbau ist entschieden – mit viel Kritik von der Jury

Postkartenschön prangt die alte Holländermühle inmitten der Rabatten am Wall. Kaum ein Tourist kommt an dieser Ansicht vorbei; aber wie's von drinnen aussieht, wissen selbst die meisten Einheimischen nicht. Das soll sich ändern: Ende nächsten Jahres könnten dort die ersten Gäste bei Becks und Schitzel beisammenhocken, wenn's nach der Wirtschaftsförderung geht. Die drängt seit Jahren auf den Umbau der Mühle zur Gastwirtschaft – derzeit ist eine Fahrschule drin. Jetzt nimmt der Wunsch konkrete Formen an. Der Architektenwettbewerb ist entschieden; mit dem Preisträgerentwurf gibt es nun eine handfeste Vorlage für den Umbau – an der es aber noch vieles zu verbessern gilt.

Eine rundum zufriedenstellende Lösung entdeckte die Jury bei keinem der vier Wettbewerbsbeiträge. Hohe Auflagen zur Erhaltung des denkmalgeschützten Ensembles einerseits, Forderung nach einer neuen Schänke andererseits: Dieser Spagat war offenbar nicht zu meistern. Das Preisgericht des von der „Bremischen“ ausgelobten Wettbewerbs entschied sich schließlich für den Vorschlag der Gruppe Latta & Hölscher (Oldenburg) und Collage Nord (Bremen). Sie wollen die Gäste im Sockel und im ersten Stock der Mühle unterbringen, die Funktionsräume hingegen sollen in einem neuen Anbau unterkommen. Ein pavillonartiger Bau aus Küchen-, Toiletten- und Lagerräumen würde die Mühle dann künftig wie ein Kranz umgeben. Durchgänge zwischen Alt- und Neubau gäbe es dort, wo derzeit die Fenster sitzen: Die sollen weiter aufgebrochen und zu Türen werden – der massivste Eingriff in die alte Bausubstanz.

Der historischen Holzkonstruktion der Mühle, heißt es bei der „Bremischen“, müßte bei dieser Version kein Balken gekrümmt werden. Die Auflagen des Denkmalschutzes würden erfüllt; selbst Details wie der historische Sackaufzug blieben erhalten. Kritik gibt es allerdings am Anbau. Dessen vor- und wieder zurückspringenden Fassadenteile entsprächen „nicht der ruhigen Grundhaltung des Entwurfs“, urteilte die Jury; „Einfachheit wäre hier mehr gewesen.“ Erstaunen auch über die Idee, die Umgebung mit Granit zu bepflastern. Zwar sollen hier sommers die Gäste auch draußen sitzen, aber der vorhandene Bodenbelag – eine Kiesdecke – tut's nach Ansicht der Jury auch. „Eine Versiegelung ist hier einfach nicht angemessen“, sagt Stadtplaner Michael Klüver von der „Bremischen“.

Allerdings gab es an den übrigen Entwürfen noch weit mehr auszusetzen. Einige nahmen noch stärker Rücksicht auf den Altbau – funktionierten aber einfach als Gastwirtschaft nicht. Zuviel Gedränge in der Wirtschaft, tote Ecken und Winkel, unpraktische Lauferei für's Personal zwischen Küche und Gastraum. Mit dem ersten Preisträger glaubt die „Bremische“ immerhin, „eine durchaus gute Diskussionsbasis“ gefunden zu haben. Drei Monate bekommt das Büro jetzt nochmal Zeit, um die kritisierten Punkte zu verbessern – und die Kosten zu ermitteln.

Denn darüber gibt es kaum mehr als grobe Schätzungen. Die eine Million Mark, die Ex-Wirtschaftssenator Jäger mal geschätzt hatte, „ist wahrscheinlich zu wenig“, sagt Klüver. Bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft schätzt man noch gar nicht, sondern hofft auf Investoren. Rund 20 Anfragen vor allem aus Bremen habe man schon „auf der Warteliste“, sagt WfG-Planer Peter Rahn. Die genaue Geschmacksrichtung der Gastronomie stehe zwar noch nicht fest, aber „was Gutbürgerliches“ könne man sich in der alten Mühle gut vorstellen. Wer auch immer dort künftig auftischt, die Innenausstattung soll er selbst zahlen. Die Stadt wolle das Objekt im Gegenzug „konzessionsreif“ übergeben, d.h.: Die Um- und Anbauten zahlt die Stadt und verpachtet dann. Übrigens nicht nur an Gastwirte. Auch die Wohnung im 2. und 3. Stock soll weiterhin vermietet werden. Denn auch, wenn unten das Kneipenleben tobt, braucht es künftig oben Mühlenkundige, die das gute Stück in Schuß halten. Selbst, wenn hier nichts mehr gemahlen wird, muß die Mechanik in Ordnung sein – sonst brechen dem guten Stück, wie im vergangenen Jahr an der Horn-Leher Mühle, noch die Flügel ab, und alle Postkarten müßten neu gemalt werden. tw

Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge ab Donnerstag, 12.10., in der Securitas-Galerie (Am Wall 121)