Mit der Straßenbahn zum Flugzeug

■ 25 Millionen für Verlegung der Gleise um 100 Meter / Sinnvollere ÖPNV-Projekte in Gefahr

Bremen ist nicht nur ein Dorf mit Straßenbahn, bald soll Bremen auch noch Deutschlands einzigen Flughafen bekommen, bei dem die Straßenbahn direkt vor der Tür hält. Das tut sie zwar auch bisher schon fast – aber eben nur fast. Ganz billig wird die Verlegung der BSAG-Haltestelle von dem rund 100 Meter entfernten Flughafendamm bis auf ein paar Meter vors Terminal allerdings nicht. Genau 23,87 Millionen Mark haben die Wirtschaftsförderungsausschüsse in der vergangenen Woche dafür bewilligt und damit angesichts des zumindest bislang extrem spärlichen ÖPNV-Interesses der Fluggäste die Investitions-Prioritäten der BSAG völlig auf den Kopf gestellt.

„Natürlich führt die direkte Straßenbahnanbindung zu einer erheblichen Qualitätsverbesserung am Flughafen“, bestätigt BSAG-Sprecher Lemmermann. Schließlich seien Fluggäste „sehr verwöhnt“, 100 Meter Fußweg seien da schon eine große Abschreckung. Andererseits weiß die BSAG, daß sie mit anderen Ausbau-Projekten erheblich mehr Fahrgäste dazugewinnen könnte. Lemmermann: „Aus unserer Sicht hat der Bau der Linie 4 nach Borgfeld oberste Priorität. Danach kommt die Verlängerung der Linie 6 bis zur Universität.“ Von beiden Maßnahmen verspricht sich die BSAG weit über 10.000 zusätzliche Fahrgäste am Tag. Am Flughafen nutzen bisher dagegen täglich nur magere 230 Fluggäste die Straßenbahn.

„Wir hoffen, daß wir mit der verbesserten Straßenbahnanbindung die ÖPNV-Nutzer unter den Fluggästen von heute 6 auf bis zu 15 Prozent erhöhen können“, meint Flughafen-Geschäftsführer Manfred Ernst. In Zahlen wären dies jedoch selbst bei hochgerechneten zwei Millionen jährlichen Fluggästen im Jahr 2000 (1995: 1,4 Millionen) nur rund 800 Straßenbahn-KundInnen am Tag. Lohnen würde sich damit die teure Haltestellenverlegung noch lange nicht. Die BSAG hofft denn auch, daß der Beschluß in dieser Sache nicht zu Abstrichen bei den Projekten Linie 4 und 6 führen wird.

Genau das könnte jedoch passieren. Schließlich ist der 800-Millionen-Topf des Investitions-Sonderprogramms (ISP) für Verkehrsmaßnahmen bereits jetzt mit Anträgen hoffnunglos überfrachtet. Und in der Beschlußvorlage zur 25 Millionen Mark teuren Straßenbahnverlegung am Flughafen heißt es eindeutig: „Damit ist keine Aufstockung dieses Bereichs intendiert.“

Im Bauressort versichert Sprecher Rainer Imholze, daß der Flughafen-Beschluß keinesfalls zu einer Verzögerung der Bauten an den Linien 4 und 6 führen werde. Mit den Bauarbeiten für den ersten Teil der Linie 4 solle im Dezember, mit der Verlängerung der Linie 6 im kommenden Jahr begonnen werden. Die Finanzierung sei in beiden Fällen „gesichert, bzw. in der Koalition unstrittig“.

Tatsächlich gibt es bisher jedoch noch zwei verschiedene Konzepte für die Aufteilung des 800-Millionen-Verkehrstopfes der nächsten vier Jahre. Während das Bauressort dort tatsächlich 63 Millionen Mark als Bremer Anteil für den insgesamt gut 200 Millionen Mark teuren Neubau der Linie 4 vorgesehen hat, taucht der Posten in den Vorstellungen von Wirtschaftssenator Hartmut Perschau nicht auf. Stattdessen wird dort der Bau des Hemelinger Tunnels mit 568 Millionen Mark und damit um 68 Millionen Mark höher angesetzt als im Bauressort. Experten halten jedoch selbst diese Summe für nicht ausreichend. Und auch im Bonner Verkehrsministerium ist der beantragte Zuschuß von 91 Millionen Mark für die Linie 4 „noch gar nicht bewilligt“, wie Sprecher Mattern gestern versicherte.

Trotz dieser Unwägbarkeiten ist bereits heute vorprogrammiert, daß die Große Koalition gegen den Bürgerschaftsbeschluß der letzten Legislaturperiode verstoßen wird, der einen Anteil von 50 Prozent an den ISP-finanzierten Verkehrsprojekten für den ÖPNV festgelegt hatte. Selbst die straßenbahnfreundlichere Planung des Bausenators würde nur zu einem ÖPNV-Anteil von mageren 33 Prozent (131 Millionen Mark) führen. 25 Millionen davon – also ein knappes Fünftel – werden nun dem Flughafen vor die Tür gelegt. Ase