„Den Orden hab ich auch!“

Der Einheitskanzler Helmut Kohl entdeckte beim Museums-Streifzug durch die deutsche Geschichte Gemeinsamkeiten mit der DDR  ■ Von Gunnar Leue

Auf einmal stand er da, mitten in der deutschen Geschichte, genauer gesagt in der Ausstellung über jene im Berliner Deutschen Historischen Museum. Helmut Kohl aus Oggersheim, ganz privat und ganz spontan. Keiner von den zwei Dutzend Besuchern, die sich gerade durch die Zeitläufe des Germanentums führen ließen, wußte, daß er kommt (sofern man nicht die taz-Ankündigung am Mittwoch gelesen hatte). Nur kurz das aufgeregte Tuscheln, als sich der ebenso spontan und höchstpersönlich zur Besucherführung erschiene Museums-Direktor Christoph Stölzl mit der Bemerkung verabschiedete, er hole noch einen „Überraschungsgast“ dazu. Wer könnte das sein, der Bürgermeister Diepgen (immerhin ist Wahlkampf) oder gar der untergetauchte Erich Mielke (schließlich ein ganz geschichtsträchtiger Deutscher)?

Beim Anblick von alten Urkunden und Königsuniformen geriet diese Frage den Rundgeführten jedoch schnell wieder aus dem Sinn. Allerdings fanden einige den Fortschritt der deutschen Geschichte bald weniger spannend, weshalb sie am Tag der offenen Museumstür etwas voreilig dem Ausgang zustrebten. Pech gehabt, sofern sie den Kanzler gern mal persönlich beim Geschichtsstudium erlebt hätten.

Zügigen Schrittes, wie gewohnt, streifte der Hobby-Historiker durch die Etappen der deutschen Geschichte, angeführt vom Generaldirektor Stölzl. Viel gesagt hat der Kanzler nicht, er wird sich eher seinen Teil gedacht haben. Zum Beispiel, was das komische Bild in der Abteilung DDR soll, auf dem er zusammen mit Strauß, Genscher, Brandt und Bahr vor einem Käfig steht, in dem Honecker als Löwe kauert.

Amüsanter schien ihm da schon der Staatsgeschenke-Kitsch, den die DDR-Führer von den Herrschern dieser Welt einstrichen. Zum Beispiel den Orden „Halskette vom Nil“, mit dem die Ägypter 1967 Walter Ulbricht schmeichelten. Offenbar verteilten sie ihre freundschaftsstiftenden Goldkettchen ziemlich wahllos, denn der Kanzler feixte zu einem seiner Begleiter: „Den hab ich auch.“ Was er nicht hatte, war ein Mitbringsel für die Austellung „Typisch DDR“, worum das Museum alle Besucher gebeten hatte. Schade, denn auch die Ossis hielten sich in ihrer Spendenbereitschaft sehr zurück. Lediglich eine Spielzeugtankstelle wurde angeboten und Elastolin-Figuren aus dem Dritten Reich. Die Reiche des Bösen kann man schon mal verwechseln.

Gott sei Dank haben die Museumssammler aber schon einiges gehortet, was man dem Kanzler zeigen konnte. Im Foyer steht neben einer sowjetischen „Wega“- Rakete und einem alten Grenzerdenkmal auch ein Tisch mit typischem Mangelwaren- und Überflußsortimenten „Made in DDR“. Zum Beispiel Kaltschalenpulver und auf Stoffballen gepinselte Verpflichtungserklärungen zur Planübererfüllung.

Von den zwei häßlichen Plaste- Sesseln im futuristischen Siebziger-Jahre-Design mußte einer allerdings wieder weg, weil der aus dem Westen (und somit aus Plastik) war. Diese „Panne“ zeugt immerhin von einer frühen deutschen Geschmackseinheit bei der Möbelgestaltung.

Heute hat sich da ja vieles auseinandergelebt. Wer wüßte das besser als Helmut Kohl. Eigenartigerweise ergötzte der sich besonders an den ausgestellten DDR- Orden. Vielleicht gefiel ihm ja das „Abzeichen der SED für 40jährige Mitgliedschaft in deutschen Arbeiterparteien“ so gut. Eine Idee auch für die Christenparteien?