Verweigerer verurteilt

■ Sechs Monate für Fahnenflucht

Der Totalverweigerer Dietrich Steinhof ist gestern vom Amtsgericht Tiergarten wegen Fahnenflucht und Gehorsamsverweigerung zu sechs Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht blieb damit unter dem von der Staatsanwältin beantragten Strafmaß von 11 Monaten. Steinhofs Anwalt hatte Freispruch beantragt.

Steinhof hatte den Wehrdienst beim Marinesicherungsbataillon in Rostock am 3. Januar 1994 gar nicht erst angetreten. Am 17.Januar stellte sich der 29jährige mit einer spektakulären Aktion den Feldjägern: Steinhof kettete sich vor der Pressestelle der Bundeswehr in der Hans-Beimler-Straße an und mußte von der Polizei mit einem Bolzenschneider losgeeist werden.

Auch sonst machte der Diplompolitologe der Bundeswehr allerlei Scherereien. Weil er sich hartnäckig weigerte, die olivgrüne Kluft anzuziehen, bekam er zunächst sieben Tage, dann zwei Wochen Arrest. Da in Rostock die Arrestzellen gerade renoviert wurden, mußte er den „Gastarrest“ an verschiedenen Orten abbüßen. Nach mehreren Solidaritätskundgebungen vor den Kasernen in Rostock, Laage und Plön „wollte ihn im Osten keine Kaserne mehr haben“, erklärte gestern sein Vorgesetzter, der Marineoberleutnant zur See, Hans-Peter Lambs.

„Immer wenn er aus dem Arrest rauskam, ging das Spiel von vorne los“, sagte er. Lambs beschrieb den jungen Mann gestern als „sehr selbstbewußt“ und „überzeugten Verweigerer“. „Wir haben zusammen das Wehrstrafgesetz gelesen, aber das kannte er schon, er war sehr belesen“, so der Vorgesetzte. Steinhof sei klar gewesen, womit er zu rechnen habe.

Einem weiterem Arrest entzog sich der 29jährige im Februar durch die nächtliche Flucht von einem Truppenübungsplatz. „Der Zivildienst spielt eine klare Rolle im Konzept der Gesamtverteidigung“, begründete Steinhof seine Verweigerung jeglicher Wehrpflicht. Die Gewissensprüfung lehne er als entwürdigend ab. Zwar versuchten Feldjäger noch zweimal, ihn in seiner Kreuzberger Wohnung abzuholen, doch konnte sich Steinhof jedesmal rechtzeitig absetzen. Da er bis zum Ablauf seiner Dienstzeit Ende 1994 nicht aufgegriffen wurde, gilt seine offizielle Dienstzeit als beendet. Bis zu seinem 32. Lebensjahr kann er jedoch zum „Nachdienen“ einberufen werden. Dorothee Winden