Das Bewußtsein fühlt sich gut an

■ Der DJ Blake Baxter verabschiedet sich vom reinen Techno

Am Rande der Tanzfläche wird gern debattiert, worin der Unterschied zwischen House und Techno liegt. Deswegen ist es sehr erfreulich, jetzt von Blake Baxter eine handliche Lösung des Problems erhalten zu haben: „Techno ist Sound, House ist komponiert aus Noten, die sich auf Baßlinien beziehen. Techno ist Atmosphäre, House ist eine Note nach der anderen.“ Das klingt einleuchtend, und daß es so ist, sollte nicht verwundern, denn Blake Baxter arbeitet seit zehn Jahren an der Verfeinerung dieses Unterschieds.

Baxter kommt aus Detroit und spielte dort Mitte der achtziger Jahre in sogenannten „Dance Orientated Rock“-Bands. Nebenher legte er Platten auf. „Ich spielte hauptsächlich alternatives Zeug, Industrial, das war für mich zu der Zeit die Musik, die zu Detroit paßte. Ich versuchte aber immer, diese Richtung mit Disco zusammenzubringen.“ Der Übergang von den Plattentellern zu eigenen Produktionen lag nahe. Drei andere in Detroit arbeitende Musiker, Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson, bastelten an einem ähnlichen Konzept, dem sie den Namen Techno gaben. Blake Baxter gehört zu den ersten, die auf Saundersons Label KMS veröffentlichten, der Track „When we used to play“ von 1987 ist heute ein Klassiker des Genres.

Techno wurde Weltbotschaft, wobei sich die deutschen Zentralorgane besonders hervortaten. Baxter: „Techno ist inzwischen eigentlich eine genuin deutsche Musik. Niemand in der Welt hat soviel für die Entwicklung dieser Musik getan wie deutsche Produzenten.“ Die Detroiter Initiatoren haben dagegen aufgrund ihrer Jobs kaum Kontakt zu der Stadt, in der alles begann: „Das ist ein wirklich großes Problem für die dortige Szene. Leute wie Derrick oder Jeff Mills, die vom Ruf Detroits profitieren, bringen nichts in diese Stadt zurück. Es gibt gute Labels, aber keine lebendige Szene. Ich versuche mit meinem Plattenladen ,Save the Vinyl‘ und einem neuen Klub etwas in der Art aufzubauen.“

Unterstützung erhält Baxter vom Berliner Tresor, der sich als Klub und Label um die Vermittlung des Detroit-Sounds verdient gemacht hat. Hier erschien 1992 Blake Baxters LP „Dream Sequence“, in diesem Jahr folgte „Endless Reflection“. Vergleichbar mit Juan Atkins' aktueller LP nutzt auch Baxter die ganze Bandbreite, die sich Techno über die Jahre erarbeitet hat: „Auf LPs versuche ich weniger für den Dancefloor zu arbeiten, sondern unter künstlerischen Gesichtspunkten zu produzieren. Techno bietet so viele Wege, ich will einige ausprobieren.“ Auffälligerweise arbeitet Baxter wie sonst eigentlich nur HipHop-Produzenten mit der Tradition schwarzer Musik. Auf der neuen Platte finden sich ein Reggae-Instrumental, eine Stevie- Wonder-Adaption und ein langsam im HipHop-Rhythmus sich hinschleppendes Stück, das eine Rede Martin Luther Kings zitiert. „Ich ziele schon auf die Verbindung zwischen Bewußtsein und good feelings. Und ich liebe HipHop, ich liebe R&B, ich liebe die Klassiker, Stevie Wonder, Barry White, ich höre hauptsächlich Soul. Techno höre ich nur, wenn ich daran arbeite, oder wenn ich in Klubs bin. Ich mag Techno natürlich, aber ich brauche immer wieder Abstand dazu.“

Sein nicht ungebrochenes Verhältnis zu Techno spürt man, wenn Baxter auflegt. „Weißt du, ich bin mit Tresor auf Tour und schulde ihnen Respekt. Ich lege deswegen auch mal eine Weile ziemlich harten Techno auf. Wo aber mein Herz liegt, kann man, glaube ich, fühlen, wenn ich meinen House- Set spiele.“

So wird man auch auf der durch Deutschland ziehenden Tresor- Tour, bei der außer Baxter noch Cristian Vogel und Joey Beltram auflegen, seine Version von Housemusik hören. In gepflegt altmodischer Manier herrschen dann warme, nicht zu schnelle Beats vor. Wenn man Baxter darauf anspricht, spürt man eine gewisse Unsicherheit, als wisse er nicht genau, ob die Musik, die er am liebsten mag, überhaupt noch im Techno-Kontext Platz finden kann: „Ich habe sehr jung angefangen, Musik zu machen, und ich bin heute immer noch jung. Deswegen hoffe ich, irgendwann den richtigen Sound zu finden, und ich möchte mich für die vielen schlechten Platten entschuldigen, die ich schon gemacht habe.“ Martin Pesch

„Dream Sequence“ feat. Blake Baxter: „Endless Reflection“ (Tresor/Efa)

Tourdaten (mit Cristian Vogel und Joey Beltram): 6. 10. Bochum, Planet; 7. 10. Leipzig, Opera Dance Hall; 13. 10. Frankfurt/Main, Omen; 14. 10. Berlin, Tresor