In Bosnien darf es keinen serbischen Teilstaat geben. Diese Ansicht vertreten fast alle serbischen, kroatischen und muslimischen Politiker in Sarajevo. Und auch die USA unterstützen immer deutlicher die bosnische Regierung Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Die Nato kämpft für Izetbegović

Die überwiegende Mehrheit der BosnierInnen ist sich einig: Endlich ist da mal einer, der die Dinge in die Hand nimmt. Angesichts der Ergebnisse, die der US-Vermittler Richard Holbrooke allein in einem Monat erzielte, sind die Unterhändler der UNO und der Europäischen Union fast vergessen. Kaum jemandem ist so zum Beispiel aufgefallen, daß Yasushi Akashi zur gleichen Zeit wie Holbrooke in Sarajevo weilte; von der bosnischen Regierung wird der UNO-Mann seit Monaten ignoriert. Den blassen Schweden Carl Bildt hat man in der bosnischen Hauptstadt sowieso nie ernst genommen.

Holbrooke macht in Sarajevo Eindruck, weil er immer wieder betont, daß die Grenzen Bosniens nicht verändert werden dürfen. Akashi dagegen ist unvergessen, weil er für die „Demilitarisierung“, also die Entwaffnung der UNO- Schutzzonen, eintrat. Und daß dies schließlich zum Verlust von Žepa und Srebrenica führte. Wie viele Menschen dabei starben, wird vielleicht nie mehr geklärt werden. Nein, nicht die ewig nachgebende UNO und die unentschlossenen, widersprüchlich auftretenden Europäer sind es, die jetzt über die Zukunft Bosniens bestimmen. Spätestens im August dieses Jahres haben die USA das Zepter in die Hand genommen.

Holbrooke ist zwar ein altgedienter Diplomat, allzuoft tritt er aber auch undiplomatisch auf. Echte Empörung ist ihm anzumerken, wenn er davon spricht, daß die Serben immer noch nicht den Zufahrtsweg von Kiseljak nach Sarajevo für den öffentlichen Verkehr freigegeben haben, schließlich habe er dafür aus Belgrad eine klare Zusage erhalten. Weder wurden die Minen von der Straße geräumt, beklagt er, noch wurde auf serbische Kontrollpunkte an dieser Strecke verzichtet. Holbrooke will diese „balkanischen“ Spielchen der serbischen Führer nicht mehr hinnehmen. Und er ist bereit, ihnen zu drohen.

Holbrooke geht einen Schritt nach dem anderen. Zuerst wurde eine Grundsatzvereinbarung über die föderale Gliederung Bosniens erzielt, dann folgte ein Übereinkommen über die politischen Entscheidungsorgane des Staates. Gestern gelang ihm nach einigen Schwierigkeiten der Abschluß eines Waffenstillstandsabkommens. Eine Woche lang war er hierfür zwischen Belgrad, Sarajevo und Zagreb gependelt.

Unverkennbar war dabei, daß Holbrooke die bosnischen Forderungen nach einem freien Zugang nach Sarajevo sowie einer Verbindung nach Goražde und Bihać akzeptierte. Offen nannte er sie „verständlich“. Wäre die weiterhin von bosnisch-serbischen Truppen gehaltene nordbosnische Stadt Banja Luka demilitarisiert, so die bosnische Führung noch in der letzten Woche, hätte sie gegen einen Waffenstillstand nichts mehr einzuwenden. Davon mußte sie in den letzten Tagen Abstand nehmen. Holbrooke hat auch auf Ministerpräsident Haris Silajdžić Druck ausgeübt.

Daß Holbrooke dennoch versucht hat, all die bosnischen Bedingungen in Belgrad zu verdeutlichen, ist anzunehmen. Ein noch deutlicheres Zeichen an die serbische Adresse setzten auch die Bombardierungen von serbischen Stellungen durch Nato-Kampfflugzeuge vor zwei Tagen. Die Flugzeuge griffen Radaranlagen gerade in jenen Orten an, die für die bosnischen Offensiven wichtig sind. Aufs Korn genommen wurden Artilleriestellungen der Karadžić-Serben bei den heftig umkämpften Städten Skender Vakuf und Mirkonjic-Grad, die rund 50 Kilometer nördlich und westlich von Zenica liegen. Will die bosnische Armee den Weg nach Bihać freikämpfen, muß sie vorher diese Städte einnehmen.

Von den Artilleriestellungen der Serben bei Skender Vakuf waren vorige Woche zudem Granaten auf die zentralbosnischen Städte Zenica und Travnik abgeschossen worden. Diese trafen auch die Kasernen der türkischen UNO-Truppen. Allein dies hätte der Nato die Begründung für den erneuten Einsatz liefern können. Die Bombardierung serbischer Stellungen südlich von Sarajevo jedoch stärkt die Vermutung, die Allianz stütze generell die bosnische Offensive, denn dort versucht die bosnische Armee, in Richtung Goražde durchzubrechen.

Doch werden die USA ihre Unterstützung der bosnischen Position auch nach Abschluß eines Waffenstillstands fortsetzen? Wird sie ausreichen, die Souveränität des Staates Bosnien-Herzegowina, so wie es der bosnische Regierungschef Haris Silajdžić wünscht, wieder gänzlich herzustellen? Schließlich steht auch Richard Holbrooke unter dem Druck seines Präsidenten, und Clinton wünscht, möglichst schnell eine Lösung in Bosnien herbeizuführen.

Die Eile könnte den gesamten Verhandlungsprozeß in die falsche Richtung lenken. Der Gedanke nämlich, als Kompromiß mit den serbischen Nationalisten einen serbischen Teilstaat in Bosnien zu dulden, hat die kroatischen Nationalisten der Westherzegowina wachgerüttelt. Sollte es einen serbischen Staat in Bosnien geben, werden auch sie einen Anspruch auf eine „eigene Entität“ deutlich machen.

Neue Spannungen zwischen kroatischen Extremisten und der bosnischen Armee entluden sich unlängst bereits in kurzen Kämpfen bei Bosanski Petrovac und während der Eroberung von Jajce. Eine Teilung Bosniens in zwei Teile würde also – und das sieht auch Holbrooke – die Spannungen in der Region nicht beenden.