Septett von grauen Mäusen

■ Bürgermeister Scherf ist bisher das einzige Licht im neuen Senat

Die Zeit der Narrenfreiheit ist zu Ende. Wie haben die Neulinge im Senat die Gunst der ersten hundert Tage genutzt, risikolos sich öffentlich bekannt zu machen? Vom Bürgermeister abgesehen, hat niemand bislang die Deckung verlassen und wenigstens andeutungsweise politisches Profil gezeigt. Bremens Senatoren sind ein Septett von grauen Mäusen, deren Stil die Unauffälligkeit zu sein scheint. Mit Mühe weiß das Wahlvolk ihre Namen, doch nichts von ihren Taten.

Da ist der Bürgermeister gänzlich anders. Er nutzt sein Talent fürs Öffentliche und kommt bei weitem besser an als weiland Wedemeier. An Scherf ist nichts Halbseidenes. Verständnis und Wärme für die anvertrauten Bürger, die gute Mischung zwischen Henning und Dr. jur. bringt der Lange rüber, nicht schicki-micky, ganz seriös. Und einfallsreich ist unser Bürgermeister: Kürzt mir nichts dir nichts im Öffentlichen Dienst die Arbeitszeit und die Gehälter, privatisiert das unrentable Abfallwesen, bringt den Ressorts endlich die Freiheit, für ihren Mangel voll verantwortlich zu sein. Derlei politische Pirouetten dreht er bislang gekonnt auf spiegelglattem Parkett. Es scheint ihm Lust zu verschaffen, nicht die mühsame Kärrnerarbeit im Einzelressort besorgen zu müssen, wo er leicht Chaos stiftend wirken konnte, sondern ledig enger Ressortfessel für das Ganze zu parlieren. Die Fähigkeit sollten Bürgermeister haben. Koschnick besaß sie auch in hohem Maße.

Gefährlich wird es allerdings, wenn bei dem Drehschwung die Bodenhaftung flöten geht, weil Wirklichkeit halt anders ist, als schnelle Worte wahrhaben wollen. Wenn Bürgermeistermeinung zu häufig ohne Wirkung bleibt, verliert sie an Gewicht und wird schließlich nicht ernst genommen. Bürgermeister sind aber keine vorlauten klugen Kinder, über die man verstehend lächeln kann.

Hier liegt die große Aufgabe für Reinhard Hoffmann, den Chef der Staatskanzlei. Er muß für Solidität im Rathaus sorgen. Und Scherf ist klug beraten, sich nicht zu sehr von Hoffmanns fleißiger Zuarbeit zu lösen. Noch ist die Stärke, die das Gespann haben könnte, nicht deutlich spürbar. Und Schluß muß im Rathaus sein mit allen Träumen von selbstverwalteter Bürokratie. Das geht ins Auge, wie Bildung jüngst noch bewiesen hat. Ober sticht Unter, so soll es sein, gerade im Rathaus. Immerhin, Scherf läßt die Genossen hoffen.

Von jenen beiden Schemenwesen, die neu für die SPD in den Senat gekommen sind, gilt solches leider nicht. Wer die Genossinnen und Genossen draußen befragt, wofür stehen die zwei politisch, bekommt nur Achselzucken. Eine Partei in Agonie wird im Senat politisch konturenlos vertreten. Das muß schlimm ausgehen. Wie schlimm es noch kommen kann, zeigt das Verrecken der SPD in Bremerhaven.

Die Unterschreitung der dreißig Prozent droht auch in Bremen, wenn die Politiklosigkeit anhält. Wozu, in aller Welt, sitzt die SPD im Senat? Wenn es darauf keine Antwort gibt, braucht sie beim nächsten Mal auch kein Ressort mehr. Es gibt glücklicherweise keine Partei mit eingebauter Regierungsverantwortung. Das Liebäugeln mit der ewigen Großen Koalition ist töricht. Große Koalitionen, das lehrt die Erfahrung, dienen einzig dem Zweck, einen Partner überflüssig zu machen.

Die beiden neuen Senatsdamen haben es wahrlich nicht leicht, mit ihren Problemsammelsurien als Neulinge klarzukommen und Profil zu zeigen. Selbst schuld sind sie jedoch daran, daß ihnen ebensolche Neulinge als Staatsräte politisch auf die Sprünge helfen sollen. Die Schwandnerlehre von Helga Trüpel haben sie scheint's nicht begriffen. Ich fürchte, die Kultur wird noch den Trüpelzeiten nachjammern. Es kann immer noch schlimmer kommen.

Zwar zeigt die CDU im Senat nicht mehr Profil als die SPD, allein sie kann sich's leisten abzuwarten. Wenn keine Ressortaffären hochschießen, ist Zeit ihr Bündnispartner. Die CDU hat den Bonus des Newcomers, und der verbraucht sich langsam. Eine verschlissene Partei hingegen wie die SPD wird gnadenlos abserviert, wenn sie nicht punktet. Sie hat leider auch keinen frechen Fraktionsvorsitzenden wie die CDU.

Natürlich kommen für Perschau erst noch die Herausforderungen mit Dasa und Vulkan. An der Dasakiste bastelt aber der Bürgermeister, und was beim Vulkan wirklich los ist, könnte Kollege Perschau allenfalls bei der Hibeg erfragen, besser jedoch bei Grobecker. Der aber wird ihn weiter unwissend lassen. Warten wir ab, wie der Wirtschaftsneuling sich im Ressort freistrampelt. Die Nagelprobe steht noch aus.

Sicherlich übertreibt, wer jedes deutsche Bauamt für korrupt hält. Daß Bauressorts jedoch mit harter Hand regiert werden müssen, weil sie sonst für den Ressortchef Unannehmlichkeiten produzieren, ist auch Bremer Erfahrung. Mit Dr. Schulte ist ein liebenswerter kluger Mann ins Bauressort gekommen, der erst noch zeigen muß, wie er mit hartmäuligen, ausgebufften Bauprofis umspringen kann. Kein Zweifel, daß Neumann ihm Reinfälle innigst gönnte, ist er doch in dem ganzen Altfilz der CDU am unbescholtensten.

Bleibt noch des Bürgermeisters liebster CDU-Mann Nölle. Er ist von allen im Senat der Glücklichste. Wie dick auch noch die Scheiße kommt, er ist gewiß unschuldig. Und jede Schreckensmeldung zeigt nur, wie ehrlich er die Konten öffnet. Glücklicher Nölle, möge Dir am Ende noch beschieden sein, die Altlast Neumann loszuwerden, dann bist Du wirklich Hoffnungsträger. Die SPD wird Dir es weiter mit Freundlichkeiten danken, wenn Du versprichst, sie auch künftig mitregieren zu lassen.

Thomas Franke

Der Autor war Senator für Bildung, Wissenschaft und Kultur