Zwei Stimmen Mehrheit für Rabin

■ Die Knesset verabschiedet das Autonomie-Abkommen mit den Palästinensern. Israels Regierungschef läßt seine Vision einer künftigen Lösung durchblicken

Tel Aviv (taz) – Nach einer 17stündigen, zum Teil stürmischen Debatte hat das israelische Parlament gestern in den frühen Morgenstunden das erweiterte Autonomie-Abkommen mit den Palästinensern bestätigt und der Regierung gleichzeitig das von Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin geforderte Vertrauen ausgesprochen.

Ganze zwei Stimmen Mehrheit fand die Regierung und ihre Politik im Parlament. Ohne die fünf Stimmen der Demokratischen Front (KP) und der Arabischen Demokratischen Partei – zwei Fraktionen, die der Koalition gar nicht angehören – hätte es keine Bestätigung des sogenannten Oslo-Zwei- Abkommens gegeben; dies umso mehr, als sich zwei prominente Mitglieder der Fraktion der Arbeitspartei, Avigdor Kahalani und Emanuel Zyssman, bei der Abstimmung auf die Seite der Opposition geschlagen hatten.

Zu Beginn der Debatte, bei der zwei Drittel der Abgeordneten das Wort ergriffen, plädierte Regierungschef Rabin für Oslo-Zwei als geeignetes Mittel zur Aufrechterhaltung eines jüdischen Staats mit einer mindestens 80prozentigen jüdischen Mehrheit. Damit wandte sich Rabin implizit gegen die Vorstellungen eines binationalen jüdisch-arabischen Großisrael, das auch das gesamte Westjordanland und seine palästinensische Bevölkerung einschließt. Oppositionsführer Benjamin Netanjahu beschuldigte prompt die Regierung, von den zionistischen Traditionen und Zielen abzuweichen.

Während der Knessetdebatte demonstrierten zahlreiche Menschen gegen das Abkommen, das einen israelischen Rückzug aus Teilen des Westjordanlandes, das Aufstellen einer palästinensischen Polizeitruppe und Wahlen zu einem Autonomierat vorsieht. Oppositionsparteien und Siedlerorganisationen hatten zu den Kundgebungen aufgerufen. Besonderes Aufsehen erregte eine vervielfältigte Fotomontage, die Rabin in Nazi-Uniform darstellt. In rechtsextremen Kreisen wird Rabins Politik als eine „tödliche Gefahr für die Existenz Israels und des jüdischen Volkes“ angesehen.

Im großen und ganzen gibt es auf der israelischen und palästinensischen Seite fast ebenso viele Befürworter wie Unzufriedene, Skeptiker und Gegner des Abkommens, das Israel auch künftig die Kontrolle über 70 Prozent des Westjordanlandes sichert. Über zahlreiche noch offene, aber grundlegende Fragen wie den Status von Jerusalem oder die Grenzen Israels soll ohnehin erst ab dem nächsten Sommer verhandelt werden.

Dennoch ließ Regierungschef Rabin bei der gestrigen Knesset- Debatte seine Version einer zukünftigen Lösung des Westuferproblems durchblicken. Er sprach von einem „geeinten, von Israel beherrschten Jerusalem, das Maaleh Edumim und Givat Zeev (entfernte jüdische Vorstadtsiedlungen, die bisher nicht zu Jerusalem gehören, d.Red.) mit einschließt, als Hauptstadt Israels.“ Rabins Auffassung zufolge sollen Andersgläubige (Nichtjuden) das Recht auf freien Zugang zu den ihnen heiligen Stätten und Gottesdiensten in Jerusalem haben. Die „Sicherheitsgrenze Israels“ soll im Jordantal verlaufen – „im weitesten Sinn dieses Begriffs“, wie Rabin sagte. Andere Veränderungen – gemeint ist die Integration in israelisches Staatsgebiet – seien für den Ezion Block, Efrat, Betar und andere Siedlungen östlich der ehemaligen grünen Linie, also im Westjordanland, vorgesehen.

Weiter plant Rabin auch die Bildung von „Siedlungsblocks in Judea und Samaria“. Neben einem jüdischen Staat Israel „ungefähr in den Grenzen des britischen Mandatsgebiets“ sieht Rabin „eine selbstverwaltete palästinensische Eigenständigkeit“ für die Mehrzahl der Palästinenser, die in Gaza und am Westufer leben. Diese „Eigenständigkeit“ soll jedoch „weniger als ein Staat“ sein. Und keinesfalls werde sich Israel auf die Grenzen von vor dem Krieg von 1967 zurückziehen, als unter anderem das Westufer erobert wurde. Amos Wollin