Sanssouci
: Vorschlag:

■ Quotierung der Kalauer: Martin Buchholz im Pfefferberg

Im Schnellwaschgang den Ist-Zustand Deutschlands aus kabarettistischer Sicht zu reinigen kommt so gut wie eine Kopfwäsche mit Shampoo, nachdem man wochenlang versehentlich Konditionierer (sprich: Conditioner) für Haarwaschmittel gehalten hat: Es schäumt nicht, weil alles biologisch abbaubar ist. Dies gilt nicht für die Detergenzien, die Martin Buchholz bei seiner gesamtdeutschen Reinemacherei im Pfefferberg benutzt.

„Mach mir den Wessi“ ist der Titel seines neuen Programms. Eine Karikatur von Hachfeld beleuchtet das Szenerio: Eine weibliche Sau mit roter Schleife im Haar wird von einem männlichen Eber mit Kohlschem Haarschnitt aufs Kreuz gelegt. Das erinnert erstens an den Wahlspruch der Jungen Union „Lieber Eberhard als sauweich“ und weist zweitens darauf hin, daß Ost- West-Ehen zu über 98 Prozent aus Ostfrauen und Westmännern bestehen. Die Statistik der Privatverbindungen bestätigt, wer sich auch auf allen anderen Vereinigungsebenen als Herr im Haus begreift. Entsprechend ist bei Buchholz von „DMarkationslinien“, „Schein-Heiligkeiten“, „Laß-den-Ausgleich“ und „Solidaritäts-Zuschlagen“ die Rede. Die Kalauer sind quotiert. Ossis und Wessis werden gleichermaßen in die Pfanne gehauen. Kleine ungewohnte Betonungen machen aus einer Bedeutung zwei, und es ist immer die zweite gemeint: Klassenkampf wird Kassenkampf, der wahre Sozialismus zum Warensozialismus.

„Kabarett ist die Fortsetzung des Journalismus mit anderen Mitteln“, sagt der ehemalige Journalist. Kohl-Kohorte, Berliner Wahlkämpfchen, Ladendiebstähle der Treuhand, deutsche Kriegseinsätze in Bosnien – alles kommt zur Sprache. „Die europäische Vereinigung war ein deutscher Einfall, und Europa kann sich nicht über Mangel an Einfällen der Deutschen beklagen.“ Gelegentlich wird Buchholz von Franz de Byl an der Gitarre unterstützt. Die Lieblingsschlager der 50jährigen bekommen neuen Sinn: Durch „Wild Thing“ wird „Sharp-ing“ erheblich aufgewertet. Würde Buchholz nicht wie ein hyperaktives Kind ständig seine Augen verdrehen, nicht auf der Bühne herumrasen, als hätte er gerade Red Bull getrunken, und beim Singen nicht zu seiner eigenen Karikatur werden, wäre das Ganze perfekt. Waltraud Schwab

Jeden Freitag und Samstag um 19 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg