■ Mit Akw-Geisterfahrern auf du und du
: Kosloduj

Berlin (taz) – Jean-Michel Fauve, der Vizechef des staatlichen französischen Atomkonzerns EdF, gehört sicher nicht zu Europas prononciertesten Atomkraftgegnern. Fauve hat aber am Wochenende das Risko beim Anfahren des ältesten Reaktors im bulgarischen Kosloduj auf den Punkt gebracht: „Die Betreiber von Kosloduj befinden sich in der Situation eines Lastwagenfahrers, der auf die Gegenfahrbahn gerät.“

Warum die bulgarischen Akw-Betreibern zu Geisterfahrern werden, hatte die atomfreundliche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) im September noch einmal zusammengeschrieben: Der Druckbehälter des 1974 in Betrieb genommenen WWER-230-Reaktors russischer Bauart sei möglicherweise spröde und könnte einem Unfall mit einem Thermoschock durch frisches Kühlwasser deshalb nicht standhalten. Die Bulgaren würden den Zustand des Stahlbehälters nicht einmal richtig überprüfen.

Die von der GRS bemängelte Sprödigkeit ist besonders gravierend, weil der Meiler wie alle sowjetischen Akws dieser Baureihe nicht über einen Sicherheitsbehälter verfügt und auch die Notkühlung bei Störfällen nicht sichergestellt ist.

Schon im Dezember 1994 hatten westlichen Atomberater der bulgarischen Regierung deshalb geraten, den gerade wieder angefahrenen Block 1 aus Sicherheitsgründen nicht mehr in Betrieb zu nehmen. Neben grundsätzlichen Sicherheitsbedenken führten die Experten an, daß selbst Überprüfungen des Betreibers „in den Schweißnähten des Reaktors lokal einen besonders hohen Gehalt an Phosphor ergeben“ hätten. Solcher Phosphor macht den Reaktordruckbehälter des 440-Megawattreaktors noch anfälliger.

Aus Protest gegen die Wiederinbetriebnahme hat die EdF hat jetzt ihre Experten aus Kosloduj abgezogen. Die Franzosen berichten, daß auch ihre russischen Kollegen die Bedenken im wesentlichen teilten. Die bulgarische Regierung hingegen behauptet, die Russen hätten das Anwerfen des Reaktors in Ordnung gefunden. ten