Lieber übern Brenner als durch unser Dorf

■ In Österreich haben AnwohnerInnen der Brenner-Autobahn gegen neue Autobahn-Maut-Pläne ihrer Regierung demonstriert. Sie befürchten, daß sparsame Automobilisten künftig die Dorfroute wählen

Berlin (taz) – Wenn ihr die Lastwagenlawine schon nicht verhindern könnt, verschont wenigstens unser Dorf davon. Mit dieser Botschaft haben am Wochenende 1.500 österreichische TransitgegnerInnen bei Schönberg in Tirol für 24 Stunden den Brenner blockiert. Ein Polizeisprecher in Insbruck lobte die Disziplin der AutogegnerInnen. „Es gab keine nenneswerten Zwischenfälle.“ Die Polizei hatte die Blockade von Samstag morgen bis Sonntag morgen genehmigt und die Brenner-Autobahn weiträumig abgesperrt. In Bayern staute sich während der Aktion der Verkehr vor allem an den Grenzübergängen der Ausweichrouten. Auch deutsche UrlauberInnen auf der Rückreise aus Italien mußten Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.

Anlaß für den Protest war die Ankündigung der österreichischen Regierung ab 1. Juli 1996 zusätzlich zur Brenner-Maut noch eine generelle Autobahnvignette einzuführen. Was dem Wiener Verkehrsminister, Viktor Klima, und seinem Wirtschaftskollegen, Johannes Ditz, als Maßnahme gegen den überbordenden Laster – und Autoverkehr galt, schürte bei den AnwohnerInnen und ihren Bürgermeistern hingegen Befürchtungen, die ausländischen Brummi- und AutofahrerInnen würden künftig, um der doppelten Maut zu entgehen, von der Autobahn auf die Landstraße ausweichen und durch ihre Dörfer rauschen. Der Vignette soll für Autos künftig schließlich 55 Mark kosten – mit Brenner-Maut ist sogar ein noch höherer Betrag für den Transit fällig. Außerdem, so das Argument der Maut-GegnerInnen, würden durch die Vignette nicht nur Transitreisende, sondern auch dringend erwünschte ÖsterreichtouristInnen geschröpft.

„Unser Land ist kein Förderband“, hatten die ProtestlerInnen beim Radeln auf der Autobahn gemeint. Selbst wenn die Wiener Regierung mit dieser Selbstbeschreibung sympathisierte, sie ist schlicht falsch. 75.000 bis 85.000 Autos und Lastwagen passieren heute täglich den Brenner, die meisten von ihnen auf dem Transit. Deshalb suchte das Wirtschaftsministerium am Tag vor den Protesten nach Varianten, um Transitbrummis und -Pkws auch weiterhin das Ausweichen auf die Dörfer zu verleiden. Für die Lkws könnte man zum Beispiel Gewichtsbegrenzungen auf den Bundes- und Landstraßen einführen, und sie so weiter auf die Autobahn zwingen, berichtete der Wiener Standard aus dem Wirtschaftsministerium. Eine wirkliche Hilfe gegen das Dilemma werde allerdings erst das Road-Pricing bieten, daß die Wiener Regierung ab Mitte 1997 zunächst für Lkws über 7,5 Tonnen und ab dem Jahr 2000 dann auch für Pkws einführen will.

Beim Versuch, möglichst viele Lkws auf die Bahn zu bringen, hatte die Wiener Regierung gerade zwei Niederlagen bei der EU erlitten. Die Euro-Laster sollen künftig schwerer und breiter sein dürfen, was den von der Regierung mit Millionen subventionierten Huckepacktransport per Bahn weiter erschwert. ten