Über die Bremer Lust am Mittelmaß

„Soll er doch gehen, endlich! Für die Mannschaft wär das doch besser, das muß man doch sagen!“ Da standen sie wieder beisammen am Samstag abend. Immer dieselbe Gastwirtschaft, oft dasselbe Thema. Dafür ungewohnte Einigkeit: Der Basler soll abhauen, Werder soll die Kohle kassieren, und gut ist. Schon klar, der Mann ist ein Klasse-Fußballer. Jaja. Aaaaber. Das ganze Gelaber und die Sprüche und die Starallüren, das hält doch keiner aus. Und damit soll jetzt Schluß sein, weg mit dem. Und zwar subito.

Sieht so aus, als würde Mario Basler die Wünsche der samstäglichen Herrenrunde erfüllen. Gestern hat Werder dem Spieler die Freigabe erteilt. Einzige Bedingung: 20 Millionen Mark auf den Tisch des Hauses Lemke. Sieht so aus, daß Basler schon bald auf Nimmerwiedersehen nach Italien abrauscht. Nach Florenz oder nach Parma, nach Mailand erstmal nicht, weil die schon sechs Ausländer unter Vertrag haben. Sieht so aus, als wäre Bremen dann wieder mal eine Attraktion los. Aber bittesehr, das Volk freut sich, bis hin zu denen aus besagter Gastwirtschaft an besagtem Samstag abend. Das sind welche, die immer wieder vor sich hertragen, daß ihnen doch die Fußballkunst immer das Höchste war, ist und sein wird. Ewig und immerdar. Auch die sind von einer ganz bremischen Lust ergriffen worden. Der Bremer Lust am Mittelmaß.

Narren! Langweiler! In der tiefsten Fußballhölle sollt Ihr schmoren! Geschlagen sollt Ihr werden mit Dauerkarten von Wattenscheid, gegeißelt mit täglich Heribert Faßbender und Werner Hansch. Was bleibt denn übrig von Werder, wenn Basler geht? Durchschnitt. Hausmannskost. Mittelmaß eben – bis auf Cardoso, von dem niemand weiß, wann er wieder zu alter Freiburger Größe aufläuft, wenn überhaupt. Wo wäre denn noch ein Spieler mit dem Auge und Schlappen für den genialischen Paß? Gibts denn noch einen, der in der Lage wäre, aus vollem Lauf einen Ball direkt aus der Luft so genau in den Strafraum zu schnibbeln, daß die nicht gerade gebenedeiten Werder-Stürmer nur noch den Kopf hinzuhalten brauchen? Und die Freistöße und Ecken und langen Sprints? Gibts einen? Weiß doch jeder: Es gibt keinen.

Warum aber bloß soll dann der letzte deutsche Sensationsfußballer aus der Stadt getrieben werden? Die Antwort ist deprimierend: Weil das Volk mit den minderbemittelteren in der grün-weißen Mannschaft fraternisiert. Diese Stadt ist durch und durch sozialdemokratisch gefärbt, und das hat leider nichts mit Parteizugehörigkeit zu tun. Ob einer genial gespielt hat ist völlig Wurscht, Hauptsache er ist viel gelaufen. Maß aller Dinge ist die Weser-Kurier-Note drei. Im Umkehrschluß heißt das. Genialität stört den Betriebsfrieden. Der Mann muß weg. Es lebe der Durchschnitt! Was das für die Stadt bedeutet, das kann man im Senat besichtigen. Nölle ist der Möhlmann Scherfs, nur um mal ein Beispiel zu nehmen.

Zugegeben, leicht ist es nicht mit einem kopfkranken Fußgenie. Wenn da die Mitspieler murren, der Trainer zerknirscht guckt und der Manager noch schneller die Haare verliert, dann braucht sich keiner zu wundern. Aber aushalten müßten sies können wegen der. Und freuen müßte sich das Volk, ja geradezu fordern müßte es: Basler muß bleiben, egalwie, und kauft noch Maradona. Her mit den Bekloppten, wenn sie nur kicken können! Und die Bedenkenträger kriegen Stadionverbot!

Jochen Grabler