Sanssouci: Vorschlag
■ Die holprig-heile Welt des OL, im Groben Unfug ausgestellt
Aus: „Angst essen Käse auf“ Abb.: Knaur
Ein knittriger Mond und ein paar verzogene Häuser hinterm Fenster, ein wackelnder Tisch und eine trübe dämmernde Glühbirne: das ist OLs Universum. Sandsack-Menschen auf verdrehten Drahtbeinchen stolpern darin herum, knieweich und mit einem wohlkultivierten Haltungsschaden. Die Termine beim Kieferorthopäden haben sie immer verschlafen. Es sind Wesen, die weitgehend blind durchs Leben gehen, weil ihnen Schläfrigkeit, Haare, Hut oder Flaschen die Sicht versperren. So tasten sie sich, immer auf der Suche nach dem Guten, mit ihren Bäuchen vorwärts. „Schlechte Witze sind machbar“, erklärt OL im Untertitel seiner Ausstellung, die zur Zeit in der Comicgalerie Grober Unfug zu sehen ist. Typisches Understatement des gelernten Betonfacharbeiters Olaf Schwarzbach, der in Zwickau und mit der Sesamstraße groß wurde, wie seine zahlreichen Variationen zur schwierigen Freundschaft von Erni und Für-dich-immer-noch- Herbert belegen. Seit Jahren zeichnet er nun unter anderem für zitty und Wochenpost, und zwar „ein bißchen wie Paul Klee, nur politischer und auch sonst anders“, wie Max Goldt, fleißiger Vorwortschreiber für OLs Comicbände, beobachtete.
Das Hipstertum der Kollegen Renate oder Phil interessiert OL nicht so sehr, und Fickelscherers wortkarge Tragikomiker würden bei ihm plaudern bis zum Morgengrauen oder sich mit ihren Riesenmäulern am Flaschenhals festsaugen. OL zeichnet Mädchen mit Schleifchen an den Zöpfchen, OL liebt Cowboys, Indianer, Mexikaner und Humpty-Dumpty. Er bekennt sich zum optimistischen Witz, zum Kalauer, zur schnellen Pointe und zu seiner krakeligen Frauenhandschrift: „Andere haben die Mutter im Herzen, ich hab sie in der rechten Hand.“ Besonders charmant ist OL jedoch, wenn er ins Erzählen gerät. Seine prächtig kolorierten Legenden vom „Grüßer von Nürnberg“, vom „Stöhnenden“ sowie die Bekenntnisse des „Stechers vom Rummelplatz“ wurden bislang nicht ausreichend gewürdigt. Für OL wäre die Welt in Ordnung, würde man nur nicht ständig über Hindernisse fallen. Seine Figuren heben die Füße beim Gehen immer ganz hoch und stolpern dann über irgendeine sprachliche Unebenheit. Daß behauptet wurde, OLs Arbeiten würden „an der Pinnwand des städtischen Kindergartens nicht weiter auffallen“, darf man als Qualitätsbeweis verstehen. Jörg Häntzschel
„Das Sackgesicht von nebenan“. Ausstellung mit Comics von OL, bis 4. 11., Mo.–Fr. 11–18.30 Uhr, Sa. 11–14 Uhr, Grober Unfug, Zossener Straße 32, Kreuzberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen