: Spaß muß sein!
Mühelos gewann das deutsche Team in der EM-Qualifikation mit 6:1 gegen Moldawien ■ Aus Leverkusen Ralf Sotscheck
Für welche Zeitung der wohl berichten mag, fragte ich mich, als Bundesarbeitsminister Norbert Blüm vor mir auf der Pressetribüne Platz nahm. Und warum hatten sich die Kollegen so in Schale geworfen und trugen allesamt dunkle Anzüge? Als sich dann auch noch Eusebio, Franz Beckenbauer, Uwe Seeler und andere Fußballgrößen vergangener Tage dazusetzten, dämmerte mir, daß ich mich auf die Ehrentribüne verirrt hatte. Jetzt war es allerdings zu spät: Das Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft zwischen Deutschland und Moldawien im Leverkusener Haberland-Stadion hatte begonnen, und ich konnte nur hoffen, daß nicht alle Plätze besetzt würden und mir der demütigende Hinauswurf aus dem VIP- Club erspart blieb.
Ich hatte Glück. Bis auf ein paar schräge Blicke wegen meines rustikalen Outfits ging alles gut, und ich kam sogar in den Genuß fachkundiger Kommentare: „Die lassen die viel zuviel spielen“, meinte Hannes Löhr kurz vor der Halbzeit, als das deutsche Team die Moldawier viel zuviel spielen ließ. Da war freilich schon alles gelaufen: Die Moldawier hatten nach einer Viertelstunde mit einem selten ungeschickten Eigentor durch Sergej Strojenko den Torreigen eröffnet, Thomas Helmer und Matthias Sammer erhöhten bis zur Pause auf 3:0. Am Schluß hieß es 6:1 – zwei Tore durch Andreas Möller, ein weiteres durch Sammer und der Ehrentreffer durch Radu Rebeja. Gegen Ende des Spiels stimmte das Publikum „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ an. Was sind die Leverkusener doch genügsam.
„Ein schönes Spiel mit schönen Toren“, sagte Norbert Blüm danach und hatte teilweise recht. Noch mehr stimmte aber der Satz von Sammer: „Gegen einen schwachen Gegner haben wir die Aufgabe erfüllt.“ Vor allem Möller, der „die beiden Blöcke von Bayern München und Borussia Dortmund hervorragend verbunden“ habe, wie der Karlsruher Trainer Winfried Schäfer zur benachbarten taz sagte. Allerdings wurde Möller dabei auch von keinem Moldawier gestört. Bei der Pressekonferenz, die offenbar in der Sauna von Bayer Leverkusen stattfand, schwitzten die Spieler mehr als auf dem Rasen. Jemand fragte Möller gemeinerweise, ob er sich vorstellen könnte, mit dem Bremer Poltergeist Mario Basler zusammenzuspielen. „Schwer zu sagen“, druckste Möller herum, schwieg vielsagend und meinte schließlich: „Wir wollen hier doch nicht spekulieren.“ Jürgen Klinsmann, der kurz vor Schluß einen Elfmeter versiebt hatte, meinte, er wollte den Gästetorwart Jewgeni Iwanow eigentlich bitten, mit ihm bis Mitternacht weiterzuspielen, besann sich dann aber eines anderen: „Auch dann hätte ich wohl kein Tor geschossen.“ Das Spiel habe ihm aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht, fügte er hinzu, und wurde dafür von Matthias Sammer, dem Fußballer des Jahres, gerüffelt: „Ich mag das Wort Spaß nicht im Fußball.“
Der moldawische Trainer Ion Karas vermutlich auch nicht. Er bedankte sich artig „für die Lehrstunde“, und DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach wünschte sich, daß „das Los unsere beiden Mannschaften schnell wieder zusammenführen“ möge. Ein verständlicher Wunsch, denn so einfach werden es nur wenige Gegner dem deutschen Team machen – auch nicht die Waliser morgen in Cardiff. Die „kampfstarke Mannschaft, die uns alles abverlangen wird“, wie Klinsmann prophezeite, sind sie jedoch nicht, zumal ihnen wichtige Spieler fehlen. Mark Hughes und Ian Rush, die beiden Senioren im walisischen Sturm, sind verletzt, und Abwehrspieler Vinnie Jones ist wie üblich gesperrt.
Das wird die deutschen Stürmer freuen, denn ungeschoren kommt niemand davon, wenn Jones dabei ist. British Telecom wirbt für ihre neuen Ortskennzahlen („One to remember“) mit einem Foto, auf dem ein teuflisch grinsender Jones seinem entsetzten Gegenspieler Paul Gascoigne einhändig hinterrücks die Hoden zerquetscht. Einmal mußte Jones eine Geldstrafe zahlen, weil er ein Video veröffentlicht hatte, in dem er demonstriert, wie man unauffällig die fiesesten Fouls begeht. Er habe dadurch „den Fußball in Verruf gebracht“, bescheinigte ihm der Verband. Früher war Jones für seine Kopfstöße berüchtigt. Weil das auch die Schiedsrichter wissen, wird es ihm noch immer zum Verhängnis: Jedesmal, wenn er einem Gegenspieler zu nahekommt, läßt der sich wie vom Blitz getroffen fallen, und Jones muß vorzeitig unter die Dusche.
Der walisische Torhüter Neville Southall ist das genaue Gegenteil von Jones. Er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, aber er ist Mitte 30 und recht dick. „Wenn er nach dem Ball hechtet, fällt er um wie eine Bahnschranke“, behauptete Uwe Rösler, der ehemalige DDR- Nationalspieler in den Diensten von Manchester City. So ruhen die walisischen Hoffnungen hauptsächlich auf Ryan Giggs, dem 22jährigen Linksaußen vom City- Ortsrivalen Manchester United. Er mußte vor ein paar Jahren zwischen der englischen und walisischen Nationalmannschaft wählen und entschied sich der Mutter zuliebe für Wales. Giggs wird die deutsche Abwehrschwäche auf der rechten Seite, wo Steffen Freund völlig fehl am Platz war, vergnügt zur Kenntnis genommen haben. Vielleicht wird es ja erneut ein schönes Spiel mit schönen Toren. Ob Norbert Blüm dann wieder vor mir sitzt?
Moldawien: Iwanow - Kulibabba, Seku, Stroenko, Testimetanu - Rebeja, Belous, Nani (59. Miterew), Kurtianu, Oprea (87. Gawriliuk) - Kleschtschenko
Zuschauer: 18.500; Tore: 1:0 Stroenko (16./Eigentor), 2:0 Helmer (18.), 3:0 Sammer (24.), 4:0 Möller (47.), 5:0 Möller (61.), 6:0 Sammer (72.), 6:1 Rebeja (82.)
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