Vulkan: tricky oder ausgetrickst?

■ Wie der Vulkan einen Großauftrag schnappte, warum er trotzdem auf die Nase fallen kann

Samstagsschichten, Überstunden – auf den Bremer und Bremerhavener Werften des Vulkan Verbundes gibt es derzeit Arbeit satt. Wegen der beiden riesigen Kreuzfahrtschiffe für die italienische Costa-Reederei. Ein Auftrag, der früher wahrscheinlich an andere Werften gegangen wäre: an Fincantieri in Italien etwa oder die finnische Massa-Werft des Kvaerner-Konzerns. Warum ergatterte ausgerechnet der im Luxuslinerbau dieser Größe unerfahrene Vulkan Verbund dies Schnäppchen?

Ein Grund: Der Markt für Kreuzfahrtschiffe boomt, und die darauf spezialisierten Werften waren bereits ausgelastet bis über beide Ohren, als Costa eine Werft suchte. Costa aber war in Eile: Der Vertrag sollte bis spätestens 31.12.1993 unterschrieben sein, das erste Schiff bis Mai 96 fertig sein. Denn nur noch solange wollte die EU dem italienischen Staat gestatten, Reeder mit 17 Prozent des Baupreises zu subventionieren. Der unterbeschäftigte Vulkan Verbund konnte diesen Termin zusichern.

Dazu kam der Preis: Für das erste Schiff, die „Costa Victoria“, verlangt der Vulkan 580 Millionen Mark – „ziemlich wenig“, sagt der auf Schiffsfinanzierung spezialisierte Hamburger Fachjournalist Jürgern Dobert, der für die Zeitschrift „Hansa“ recherierte. „Ein haarscharf kalkulierter Preis, für den andere deutsche Werften nicht bauen würden, na gut, die Meyer Werft vielleicht noch, aber die haben Routine, die verkalkulieren sich nicht“. Hingegen die Vulkan Werft, die sei schon einmal auf die Nase gefallen, als sie sich vom Frachtschiffsbau unabhängiger zu machen versuchte: Mit dem Passagierschiff „Europa“ (Preis: etwa 150 Mio. Mark) fuhr die Vulkan Werft 1981 rund 90 Millionen Miese ein, plaudert Dobert aus dem Nähkästchen. Und auch alle anderen Containerschiffs-Werften, die sich am Passagierschiffbau versucht hatten, seien „ganz fürchterlich auf die Nase gefallen“: Thyssen Nordsee in Emden, HDW Hamburg und Kiel, zuletzt die Volkswerft Stralsund... Ein Kreuzfahrtschiff sei schließlich viel aufwendiger und ausrüstungsintensiver als ein Container-Schiff.

„Aber es ist natürlich wunderbar, daß der Vulkan Verbund mit den beiden Costa-Schiffen bislang im Terminplan ist“, schränkt Dobert das Unken ein wenig ein, „ob die Kostenkalkulation stimmte, wird sich natürlich erst am Ende zeigen.“

Das hängt nicht zuletzt vom Lira-Kurs ab. Denn Costa, da am längeren Hebel sitzend, wird in Lira bezahlen. Hatte man in den Vertrag für das erste Schiff noch eine Kurssicherungsklausel eingebaut, so fiel der Vertragsabschluß für das zweite Schiff just in die Zeit eines rapiden Lira-Verfalls. Im März 95 war die Lira auf 82 Prozent gerutscht – das hätte für den Vulkan einen Preisrutsch von 15 Prozent (85 Mio. Mark) bedeutet. Doch den Managern des Vulkan Verbunds und der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gelang es, die Costa-Reederei zu Nachverhandlungen an den Tisch zu zwingen und zu einem höheren Lira-Preis. 550 Mio. Mark, schätzt Dobert.

Dennoch bleibt durch den Kursverfall ein Verlust. Wie man diese Lücke füllt, erklärte der Finanzvorstand Rüdiger Zinken dem Schiffahrts-Fachblatt Hansa (8/95): 1. Der Vulkan will vermehrt bei italienischen Zulieferen einkaufen. 2. Costa zahlt einen Teil des Baupreises in ECU. 3. Der Vulkan darf bei bestimmten Ausstattungsteilen die Qualität senken, wenn die Funktion nicht beeinträchtigt wird.

Ein Risiko allerdings bleibt: Als Extra-Bonbon hatte der Vulkan der Reederei Costa ein 29 Jahre altes Kreuzfahrtschifffür 50 Millionen abgekauft, erzählt Schiffsspezi Dobert. Bis Sommer 97 zahlt Costa nun Pacht an den Vulkan. Das Risiko, für wieviel Geld das alte Schiff anschließend weiterverkauft werden kann, liegt nur noch beim Vulkan.

So viel Zugeständnisse und soviel Unwägbarkeiten, nur damit man ein Schiff bauen darf, mag der Laie denken. Doch es kommt noch doller: Auch Vater Staat geht mit auf Kreuzfahrt. Wettbewerbshilfe: Bund/Länder beteiligen sich mit bis zu 7 Prozent Zuschuß an den Baukosten eines Schiffes. Die Werft kann also den Preis für den Reeder um 7 Prozent senken. Werftenhilfe: Damit drücken Bund/Länder die Zinsen für die Kredite des Reeders OECD-Niveau herunter.

Erheblich ist allerdings auch der Bremer Senat am Bau der beiden Costa-Luxusliner beteiligt: über Landesbürgschaften. Damit bürgt das Land Bremen gegenüber den Banken für den Fall, daß der Vulkan Kredite nicht zurückzahlen kann – falls er Konkurs macht oder falls die Schiffe nicht abgenommen werden. Heiner Heseler, Werftenfachmann und Leiter der Kooperationsstelle Arbeiterkammer/Uni, sieht hieran allerdings nichts Anrüchiges: „Die Bürgschaft ist eigentlich das effektivste Instrument. Denn es ermöglicht dem Vulkan, einen Kredit zu bekommen, den die Bank ihm normalerweise nicht gewähren würde.“ Diesmal aber sind die Landesbürgschaften recht hoch: Bremen bürgt allein für den Kredit für die Bauzeit des ersten Schiffes mit 220 Millionen Mark, hat Dobert herausgefunden. Hinzu kommt die Bürgschaft für die Schiffshypothek, die der Reeder aufnehmen muß: 75 Millionen Mark.

Ob das alles gutgeht? Mit Argusaugen schauen die westeuropäischen Passagierschiff-Werften nach Bremen. Sie weissagen bis zu 100 Millionen Mark Verlust. Wie sollen eine nur im Containerbau erfahrene Vulkan Werft und eine nur im Bau von mittelgroßen Passagierschiffen erfahrene Schichau Seebeck Werft auf Anhieb den Bau eines solch komplizierten und riesigen Schiffes termingerecht und paßgenau koordinieren können, noch dazu zu diesem Preis?

Für den Vulkan steht viel auf dem Spiel: schließlich will man auf Dauer den Fuß im Kreuzfahrtmarkt haben. Unterbeschäftigung ist auch teuer. Wie schwer es ist, erfolgreich auf den Passagierschiffmarkt umzusteigen, zeigt das Beispiel Japan: Die haben, weiß Heiner Heseler, bislang erst ein einziges Kreuzfahrtschiff gebaut. Das war 1990. Seitdem haben sie keinen Auftrag mehr an Land gezogen. cis