Sanssouci: Vorschlag
■ Benno-Ohnesorg- Theater mit Funny van Dannen
Funny und Wiglaf, wie einst, wie einst Foto: Katja Hoffmann
In keinem Zitatennachschlagbüchlein fehlt das Marx-Zitat von der Geschichte, die einmal als Tragödie, dann wieder als Farce sich wiederholt oder so ähnlich. Mit der Wiederkehr der siebziger Jahre verhält es sich dagegen eher proustmäßig: Erst ihre Wiederholung in den Neunzigern verhilft dem orange Gehaltenen zur Substanz. Erst jetzt kommen die siebziger Jahre wirklich zu sich. Kein Wunder, denn jetzt sind sie zwanzig und guter Dinge und voller aufregender Pläne. Bedrückt und gebückt schlich die Siebziger-Jahre-Generation durch die Fußgängerzonen von Kassel; lebensfroh und stets zu seltsamen Scherzen aufgelegt, hüpfen junge Leute heutzutage mit engen Calgon- und Frigeo-T-Shirts von einem Vergnügen zum nächsten. Die Kopie ist besser als das Original. Und die Lieder von Funny van Dannen beschwören die siebziger Jahre nicht als den Dreck, der sie tatsächlich waren, sondern richten sich sehnsüchtig auf die uneingelösten Versprechen der Jahre, in denen Willy Brandt noch Kanzler war.
Das Konzert von Funny van Dannen im Sommer auf der Insel der Jugend war ganz große Klasse. Die lustlose Besserwisserironie der Lassie-Singers ist ihrem ehemaligen Mitstreiter fremd. Funny van Dannen klingt mit seiner Lagerfeuergitarre manchmal wie Hannes Wader, manchmal auch wie Reinhard Mey oder Melanie oder Joan Baez. Er ist ein Meister der ernsten Ironie. Er macht Lieder für irgendwie einsame moderne Großstadtmenschen, die auch gern mal lachen. Er weiß, daß das Falsche im Falschen zuweilen das Richtige sein kann. Er verehrt die Sehnsüchte der Teenager und die Wünsche mißhandelter Kaugummis. Und er liebt die Wesen dieser Welt: „Vor dem Tresen, hinterm Tresen/ überall sind Lebewesen.“ Funny van Dannen ist unglaublich komisch und hat nebenbei auch ein paar Hits geschrieben: „Alles verkauft“, das eigentlich als Kanon gesungen werden sollte, oder „depressive Hypochonder“, das wunderschöne „lyrics“ enthält: „Depressive Hypochonder/ auf dem Weg zum Augenarzt/ stoßen sich den Fuß und denken/ gleich: das war's, das war's, das war's.“ Lustig. Heute abend tritt Funny van Dannen, der auch prima Bücher („Jubel des Lebens“) geschrieben hat, und überhaupt ein netter Kerl ist, neben dem Münchner Tom Oz im Benno-Ohnsorg-Theater seines lieben Freundes Wiglaf Droste auf. Zusammen werden sie wie einst von Nana Mouskouri singen und auch hervorheben, daß Gefühle wichtig sind. Detlef Kuhlbrodt
Heute, 22.30 Uhr, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz
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