Der „Indiana Jones“ der Nachrichtenredaktion Von Andrea Böhm

Das amerikanische Fernsehen ist, wie wir wissen, ein bißchen anders und dem unseren immer zwei Nasenlängen voraus. Robert Lembkes „Was bin ich“, Talk-Shows, „Tagesthemen“ mit ihren anchormen and -women oder das geplante „Parlamentsfernsehen“ – alles aus den USA abgekupfert. Folglich ist es ratsam, neue Trends und (Schnaps)Ideen, die einem beim zapping durch den amerikanischen Fernsehalltag ins Auge springen, genau zu registrieren – und dann Wetten abzuschließen, wann sich die ersten Nachahmer in Deutschland finden.

Dan Rather, dem anchorman der „CBS-Evening News“, gebührt zweifellos der goldene Teleprompter für die revolutionärste TV-Neuerung im Monat Oktober: Er moderierte seine Nachrichtensendung letzte Woche nicht aus seinem drögen, aber trockenen New Yorker Studio, sondern aus dem Zentrum von Hurrikan Opal, der gerade Teile der amerikanischen Golfküste zu Kleinholz verarbeitete. Alle maskenbildnerischen Vorarbeiten waren in Sekundenschnelle zunichte gemacht. Mit Windgeschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern und Regengüssen von der Wucht eines Wasserwerfers pustete Opal sämtliche Puderpartikel aus Rathers Backen und spülte halb Florida durch seinen Gehörgang. Die sonst so stoisch-kantigen Wangen flatterten, als hätte ihn jemand hinter die Düse einer Boeing 747 gesetzt.

Daß der Mann überhaupt im Fernseh-Bilde blieb, war allein einem Strommast zu verdanken, an den er sich krampfhaft festklammerte, um nicht mitten im Text weggeblasen zu werden. „Und nun schalten wir zu unserem Korrespondenten nach ... Whoops ...“

Wer das Auge des Sturmes nicht scheut, muß aus besonderem Holz geschnitzt sein. Rather ging schon 1980 mit afghanischen Rebellen auf den Kriegspfad und landete noch vor den ersten amerikanischen Bomben in Bagdad. Anläßlich des 50. Jahrestages der Atombombe auf Hiroshima und der japanischen Kapitulation spazierte er in Safariweste mit General a. D. Norman „Stormin'“ Schwarzkopf an japanischen Stränden entlang und ließ sich Schlachtenanekdoten erzählen. Aus dem Inneren eines Vulkans zu berichten, blieb ihm bisher versagt. Kein Zweifel: Der Mann leidet noch heute darunter, nicht als „Indiana Jones“ auf die Welt gekommen zu sein.

Zwar sind alle Chancen, sich der Südseeflotte des deutschen Bundestages anzuschließen, ungenutzt verstrichen. Doch nichtsdestrotrotz ergeben sich aus Rathers Hurrikan-Moderation ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft des deutschen Nachrichtenfernsehens: Ulrich Wickert moderiert die „Tagesthemen“ aus einem Bundeswehr-Tornado über Bosnien. Sabine Christiansen aus Peter Grafs Gefängniszelle. Beim nächsten Hochwasser in Köln dann beide gemeinsam im öffentlich-rechtlichen Friesennerz von einem Frachter auf dem Rhein. Oder als Mäuse getarnt aus Edmund Stoibers Staatskanzlei, Unterabteilung „ARD-Eliminierung“.

Ganz im Ernst: Uns bleibt viel erspart, wenn Rathers Eskapaden keine Imitatoren finden. Und was ihn selbst betrifft: Die Hurrikan- Saison ist noch nicht vorbei. Dann kommen die Schneeblizzards. Dann könnte der Mississippi wieder über die Ufer treten, und im Sommer gehen bestimmt ein paar Wälder in Flammen auf.