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: Biounterricht

„Bio's Bahnhof“ (9.2.1978), Montag 22.30 Uhr, 3sat

Er war schon immer der einzige, der braun und beige tragen konnte: Schnieke gewandet wie eh und je wagte sich Alfred Biolek am 9. Februar 1978 erstmals für das Erste vor die Kamera. Sein „Bio's Bahnhof“ erwies sich in der Folgezeit als eine der erfolgreichsten Unterhaltungssendungen des elektronischen Mediengewerbes. Biolek, der Jurist, machte alles anders als seine Kollegen: Übertragen wurde live und aus einer loftartigen Halle, nämlich dem Straßenbahndepot der Kölner Verkehrsbetriebe.

Es sollte leger wirken – und so kam es auch an. 17 Jahre später wird man den Eindruck nicht los, daß der Kölner der erste Postmoderne des Fernsehens war. Er hatte keine Scheu, auch die Talmiseiten der Branche zu zeigen, beispielsweise, wenn er den Kulissenschieber vorstellte, der eben noch einem Rudel Cellisten die laufende Landschaft hinter die Zugfenster drehte. Und dann diese glückliche Hand, den Deutschen kommende Stars zu präsentieren: Das nennt man Risikofreude. Bio darf sich somit schmücken, Kate Bush erstmals einem außerbritischen Publikum vorgestellt zu haben.

Ja, und dann sangen auch noch alle live, bis auf Vicky Leandros, die bekanntlich außer bei ihren beiden Grand Prix d'Eurovision-Auftritten immer verschnupft ist, wenn sie ohne Konserve singen soll. Aber Udo Lindenberg, Peter Herbolzheimer und seine Mannen: unplugged. Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler aus der DDR mit einigen Volksliedchen: beifallumtost. Das Publikum schien diese krude Mischung aus allem und nichts anzutörnen und irritierend charmant zu finden. Weshalb trauen sich heute alle (außer vielleicht Götz Alsmann) nur noch, Konzepte von Konzeptstäben umzusetzen? Aus welchem Grund strickt man keine Fortsetzung aus dieser wunderbaren Show, deren Wiederholung dem aktuellen Entertainmentnachwuchs wie Biounterricht vorkommen muß?

Ehrlicherweise muß man einräumen, daß Fernsehen heute nicht mehr so funktioniert: Allein die Eingangsnummer, gegeben von der Musikkapelle der Kölner Gas- und Elektrizitätswerke, dauerte fünf Minuten. Nostalgiker wie wir seien also gewarnt: Auch wir handhaben unsere Fernbedienung längst so virtuos, daß „Bio's Bahnhof“, würde man das Format nicht auf eine Stunde heruntertakten, wohl auf der Zapping-Strecke bliebe. Jan Feddersen