Tangas und offene Herzen

■ Neu im Kino: „Dollar Mambo“, die USA besetzen Panama

Bei Panama fällt einem erst mal der gleichnamige Kanal ein, dann ein Name: Manuel Antonio Noriega. 1988 wurde der Mann mit der „Orangenhaut“ von einem US-Gericht des Drogen- und Waffenhandels angeklagt; Noriega hatte die Einflußsphäre der USA in Panama angetastet – ein Sakrileg, das er mit seinen Rücktritt bezahlen sollte. Doch Noriega dachte nicht an Abdankung und ließ die von ihm angesetzten – und verlorenen – Präsidentschaftswahlen kurzerhand annullieren. Das war den USA zuviel. Am 20. Dezember 1989 marschieren US-Truppen in Panama-Stadt ein, es gibt Tote. Noriega verschanzt sich auf exterritorialem Botschaftsgelände, direkter Zugriff ist nicht möglich. Die US-Drogenfahndung antwortet mit psychologischer Kriegführung: Sein Haus wird Tag und Nacht ohrenbetäubender Rockmusik-Dauerbeschallung ausgesetzt. Am 4. Januar hat Noriega genug gehört und ergibt sich.

Der mexikanische Regisseur Paul Leduc („Latino Bar“) hat aus diesen Geschehnissen 1993 einen Film gemacht. Ein lateinamerikanisches Musical sollte es werden, in dem der Mambotakt regiert, der alle Dialoge ersetzt. Der Mambo als unblutige Waffe und filmischen Protest gegen die US-Invasion: kein schlechter Ansatz. Vor allem, wenn Leduc, wie er sagt, den Worten im Film ohnehin mißtraut. Oft genug seien sie zu demagogischen Zwecken mißbraucht worden. Also wird getanzt. Die Kulisse liefert eine desolate Bar, in der knapp und knapper bekleidete Latinas vor schmierigen, kokain-konsumierenden Schiebertypen lasziv ihre Extremitäten schwingen müssen. Die fettleibigen Verbrechertypen sollen die tumben Tore aus den Staaten symbolisieren, die nichts anderes sehen wollen als das, was sie schon kennen: herzlich wenig.

In einer Schlüsselszene wird aus dem Bar-Publikum, ein Haufen GIs in Tarnuniform und Gasmaske, ein aggressiver Mob. Die nackte Schöne auf der Bühne wollen sie tot sehen, ihr Liebhaber muß zusehen, wie die Soldaten – choreographisch eindeutig – zu Werke gehen. Bevor es die gesichtslosen GIs tun können, legt die Tänzerin selbst Hand an sich. Und legt in einem vollkommen unangebrachten, weil ernüchternd realistischen special effect in aller Ruhe ihr Herz frei. Da zieht ein Soldat die Gasmaske ab und merkt, was er angerichtet hat ...

Zuvor bebildert Leduc die panamesische Idylle vor dem Sündenfall. Lateinamerika, wie man es sich gerne bestätigen läßt. Die Leute haben wenig Lust zu arbeiten, weil ihnen dauernd Mambo-Rhythmen in die Quere kommen und unverzüglich in die Beine fahren. Außerdem das Klima: Die schwülen Temperaturen harmonieren prima mit den heißblütigen Panamesen. Oder machen lethargisch, hundeäugig und alkoholabhängig.

Wer gut abgemischten Mambo-Sound, gut gelaunte, löwenmähnige Tanga-Girls und Klischees mag, wird in allen drei Kategorien befriedigt. Bloß mit der Absicht, tänzerisch die US-Invasion in Panama zu brandmarken und, als fatale Konsequenz, den Verlust an kultureller Vielfalt und Lebensqualität zu konstatieren, hat der Regisseur Schiffbruch erlitten. Zu beliebig und wenig stringent reiht er rein Atmosphärisches und plakativ Choreographiertes aneinander; statt dramaturgischer Dichte setzt er auf punktuelle Schauwerte. Erst am Schluß erfahren wir als nüchterne Agenturmeldung, worauf „Dollar Mambo“ eigentlich hinauswollte. Ach, so. Alles klar.

Alexander Musik

im Kino 46