Tunnelgegner drohen Kohl mit Baustopp

■ Verbände klagen gegen alle Tunnel unterm Tiergarten. Sie seien sinnlos und umweltschädlich. Freitag wird demonstriert

Lange wurde über die Tiergartentunnel nur debattiert, jetzt machen Befürworter wie Gegner ernst. Einerseits will übermorgen der Kanzler mit der Kraft seines Gewichts einen Spaten in die Erde vor dem Reichstag rammen und so den Start für das größte Verkehrsprojekt der Bundesrepublik frei geben. Andererseits klagen seit gestern Tunnelgegner vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vier Anwohner und die Berliner Landesarbeitgemeinschaft Naturschutz (BLN) wollen das 5,2 Milliarden Mark teure Vorhaben kippen. Ihr Rechtsanwalt Reiner Geulen zeigte sich zuversichtlich, bis Januar kommenden Jahres einen Baustopp durchzusetzen.

Mit dem Bau der drei Tunnel wollen die Deutsche Bahn AG und das Land Berlin ab Montag kommender Woche beginnen. Bis zum Jahr 2002 soll es dann einen vierspurigen Autotunnel vom Potsdamer Platz zur Invalidenstraße, einen viergleisigen Eisenbahntunnel von Gleisdreieck bis zum Lehrter Bahnhof und eine neue U-Bahn zwischen Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof geben.

Zwei Drittel aller Fahrgäste sollen dann am Lehrter Bahnhof und am Bahnhof Papestraße aus- und einsteigen. Im Gegenzug wird der Intercity-Verkehr auf vier heutigen Bahnhöfen eingestellt. Im Autotunnel werden sich täglich bis zu 100.000 Pkw und Lkw stauen.

Die Kläger werden von der Antitunnel GmbH, einem Bündnis aus 60 Initiativen, unterstützt. Sie halten das Vorhaben formal wie inhaltlich für rechtswidrig.

– So soll das Land Berlin seine Planungshoheit für Auto- und U-Bahntunnel an den Bund abgegeben haben, um Umweltverbände auszutricksen. Verbände dürfen nämlich nur gegen Projekte des Landes, nicht aber des Bundes klagen.

– Unabhängig von der Zuständigkeit sei der Bau an sich rechtswidrig. Die Tunnel seien verkehrspolitisch unsinnig und umweltpolitisch nicht zu verantworten. Widersprüche von rund 19.000 Bürgern, Gruppen und Verbänden sollen nicht ausreichend und zu spät gewürdigt worden sein. Geulen will deshalb auch den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Die Kritik im einzelnen:

Der Eisenbahntunnel sei unnötig, die Eisenbahn könne auch oberirdisch fahren. Statt eines zentralen Umsteigebahnhofs würden neue Fernbahnhöfe auf dem S-Bahn-Ring gebraucht.

Der Straßentunnel locke zusätzlichen Autoverkehr in das Zentrum. Der Senat wolle aber offiziell den Autoverkehr im Zentrum reduzieren. Auch sei der Abriß der Entlastungsstraße nur versprochen, nicht aber rechtsverbindlich beschlossen worden.

Der U-Bahntunnel sei unsinnig, weil Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof bereits durch die Stadtbahn verbunden sind.

– Alle drei Tunnel gefährdeten den Tiergarten, weil während des Bau mehrere hundert Bäume gefällt und das Grundwasser abgesenkt werden. Die Abgase aus dem Autotunnel gefährdeten dauerhaft den Tiergarten. Dirk Wildt

Demo gegen Tunnelträume von Kohl und Großer Koalition: Freitag, 17 Uhr, Friedrichstraße. Erwartet werden 10.000 Teilnehmer. Robin Wood startet während des Spatenstichs ebenfalls eine Demonstration: 14.30 Uhr, Moltkebrücke