Die Deutschen fahren wie verrückt

■ Alle Verkehrsträger verzeichnen Zuwächse. Flugverkehr boomt am meisten

Berlin (taz) – Allen Kongressen zum Thema Verkehrsvermeidung zum Trotz: Der Transport von Gütern und Leuten wächst massiv. Durchschnittlich zwei Prozent mehr Menschen und vier Prozent mehr Waren als 1994 werden in diesem Jahr in Deutschland hin und herbewegt. Das geht aus einer Studie des Münchner Ifo-Instituts hervor, die das Verkehrsministerium in Auftrag gegeben hatte.

Am schlimmsten sieht es in der Luft aus. 7,8 Prozent mehr Passagiere verzeichnen die Fluggesellschaften. Fast 90 Millionen Flugtickets wurden verkauft. Die Dumpingpreise regten so viele Leute wie nie zuvor an, Urlaub in einem außereuropäischen Land zu machen. Auch der Antransport von Früchten und Blumen aus Übersee boomt, so daß die Luftfrachtunternehmen mit Zuwächsen von durchschnittlich 6,5 Prozent rechnen können – nachdem sie im letzten Jahr bereits satte 13,2 Prozent zugelegt hatten.

Die Deutsche Bahn AG sieht im Güterbereich im Vergleich zu ihren Konkurrenten schlecht aus. Während sie nur die Vorjahresmenge von 307 Millionen Tonnen halten konnte, verzeichneten die kleinen Privatbahnen immerhin ein Plus von drei Prozent. Sowohl den Binnenschiffern als auch den Lkw-Spediteuren ist es gelungen, der Bahn Kunden abzuluchsen und so ein überproportionales Wachstum zu verzeichnen: Über die deutschen Asphaltpisten rollen in diesem Jahr 5,1 Prozent mehr Güter als im Vorjahr – insgesamt 563 Millionen Tonnen.

Und nach Meinung der Ifo-Forscher werden die Laster im nächsten Jahr die Züge noch weiter abhängen. Verantwortlich dafür sind vor allem die rückläufigen Mengen im Montanbereich und die Reduzierung der Braunkohletransporte in Ostdeutschland. Für die „Lkw- affinen Gütersegmente“ sind die Aussichten hingegen günstig, so die Wissenschaftler.

Beim Personenverkehr schaut es für die Bahn AG etwas besser aus. Zwar konnten die privaten Eisenbahnunternehmen mehr neue Kunden gewinnen als die jetzt marktwirtschaftlich arbeitende Staatsbahn. Bei den Personenkilometern liegt die Bahn AG aber mit einem Plus von drei Prozent sogar vorm Autoverkehr, der um 2,3 Prozent gewachsen ist.

Vor allem die gleichbleibenden Spritpreise macht das Ifo-Institut dafür verantwortlich, daß die Leute immer mehr mit ihren Blechkisten fahren. 1994 hatte es nach der Mineralölsteuererhöhung einen Rückgang des Autoverkehrs gegeben. Und wer mehr verdient, fährt auch mehr: In Ostdeutschland steigt parallel zum Einkommen der Pkw-Bestand und die Zahl der Fahrten zum Arbeitsplatz und zum Einkaufen. aje