Telekom ein Bit weiter in Brüssel

■ EU-Wettbewerbskommissar will das deutsch-französische "Atlas"-Gemeinschaftsunternehmen für Datendienste genehmigen. Die private Konkurrenz muß noch bis Mitte des nächsten Jahres warten

Bonn/Brüssel (AFP/AP/taz) – Wettbewerbskommissar Karel van Miert gibt nach. Vom 1. Januar bis zum 31. Juni 1996 dürfen die deutsche und die französische Telekom-Gesellschaft mit ihrem Gemeinschaftsunternehmen „Atlas“ in ganz Europa Datendienste anbieten, ohne im eigenen Land irgendeine Konkurrenz zu befürchten. Erst am 1. Juli 1996, so verlautete gestern aus Kreisen der EU- Kommission in Brüssel, müßten dann auch die privaten Datendienste ihre eigenen Leitungen anbieten dürfen. Nächsten Montag soll in einem Spitzengespräch der Postminister dieser Kompromiß abgesegnet werden – die deutsche Telekom zumindest könnte gut damit leben. „Wir würden uns freuen“, sagte gestern ein Sprecher, der aber vor einer offiziellen Bestätigung der Brüsseler Zustimmung zum Atlas-Projekt nicht weiter Stellung nehmen wollte.

Noch letzte Woche hatte van Miert darauf bestanden, daß er das deutsch-französische Gemeinschaftsunternehmen nur genehmigen werde, wenn zugleich die private Konkurrenz auf dem Markt zugelassen werde. Sie darf nun sechs Monate lang tatenlos zusehen, wie in Deutschland das ehemalige Saatsunternehmen seinen ohnehin kaum einholbaren Startvorteil mit einem Europanetz weiter ausbaut. Daß die heute immer noch staatliche France Telecom bis dahin überhaupt privatisiert ist, wird zudem immer unwahrscheinlicher.

Verzögerung aber auch in Bonn. Im Postministerium wird der Gesetzentwurf über die Liberalisierung des deutschen Telekommarktes weiter hin- und hergeschoben. Postminister Wolfgang Bötsch stellte gestern der Presse eine neue Fassung vor, die aber noch „zwischen den Ressorts“ abgestimmt werden müsse. Umstritten ist die Forderung der Gemeinden, die von den privaten Datenanbietern Gebühren für die Leitungen erheben wollen, die sie unter öffentlichen Straßen und Plätzen verlegen und betreiben. Bötsch lehnt dieses Wegerecht kategorisch ab. Ein Rechtsgutachten habe bestätigt, sagte er gestern, daß öffentliche Verkehrswege „allen Lizenznehmern“ kostenlos zur Verfügung stehen müßten. Mit einem anderen Argument droht die SPD, das Gesetz im Bundesrat zu Fall zu bringen. Die Sozialdemokraten verlangen, daß auch die privaten Betreiber von Datenleitungen einen sogenannten Universaldienst anbieten müssen. Zwar will auch Bötsch die Vergabe von Lizenzen an gewisse Mindeststandards binden. Die SPD-Schwelle ist ihm aber zu hoch. Der „Marktzugang für kleinere Unternehmen“, rechnet er den Sozialdemokraten vor, werde damit wohl „unzulässig erschwert“. nh