„Ein Anker in der unruhigen See“

Mit der Nominierung von Franz Müntefering zum Bundesgeschäftsführer sichert sich der SPD-Chef die Loyalität der mächtigen NRW-Sozis. Bündnisgrüne sehen positives Signal für Rot-Grün  ■ Von Karin Nink

Bonn (taz) – Sichtlich erleichtert und entspannt wie lange nicht mehr verkündete Rudolf Scharping gestern, daß Franz Müntefering neuer SPD-Geschäftsführer wird. Er habe mit Müntfering „außerordentlich gute Gespräche geführt“, betonte der Parteichef. Der neue Mann in der Baracke habe „sein großes persönliches Vertrauen“ und sei ein „erfahrener Mann der Sozialdemokratie“.

Die Frage, wieso der NRW-Minister und auch dessen Ministerpräsident Johannes Rau in den Tagen zuvor hätten verlauten lassen, Müntefering habe an dem Amt kein Interesse, kommentierte Scharping siegesicher: „Nun hat er es.“ Und was Johannes Rau angehe, so habe er in den zurückliegenden Wochen „gerade von ihm sehr viel Rückendeckung und Zuspruch erfahren“.

In Bonner SPD-Kreisen gilt Müntefering als „loyal, effizient“. Er könnte als „Anker in einer unruhigen See wirken“, meinte die Bundestagsabgeordnete Cornelie Sonntag-Wolgast. Müntefering, der 18 Jahre lang im Bonner Parlament saß, genieße in der SPD viel Anerkennung und sei im Management erfahren. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder sprach von „einer guten Lösung“. Er sei sicher, daß die SPD in „erfolgreiche Gewässer“ zurückkehrt. SPD-Vize Wolfgang Thierse zeigte sich überzeugt, daß der Wechsel auch Scharpings Position stärkt.

Auch bei den Bündnisgrünen kommt der Neue an Scharpings Seite gut an: Von einem „positiven Signal für Rot-Grün“ sprach Fraktionssprecherin Kerstin Müller. Schließlich sei Müntefering „einer der Architekten der rot-grünen Koalition in NRW“.

Unterdessen haben sich gestern SPD-Länderchefs gegen die Kritik ihres Parteivorsitzenden Scharping im Zusammenhang mit der Diätenfrage zur Wehr gesetzt. Es habe keinerlei parteiinterne Absprachen bei der Diätenfrage gegeben, sagte der hessische Ministerpräsident Hans Eichel und wies den Vorwurf zurück, die Ministerpräsidenten hätten sich auf Kosten des Parteivorsitzenden profilieren wollen. Er habe sich als hessischer Landesvorsitzender und nicht als Ministerpräsident zu der Diätenfragen geäußert, und in dieser Funktion habe er „nicht nur das Recht, ich habe auch die Pflicht, die Meinung der hessischen Sozialdemokraten zu diesem Thema deutlich zu machen.“

Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat Scharpings Kritik zurückgewiesen. Es gehe darum, daß die SPD in den Ländern die Stimmung der Bevölkerung aufgenommen habe, sagte Beck. Die Ministerpräsidenten hätten sich nicht über die Höhe der Diäten, sondern über die geplante Verfassungsänderung empört. Beide Politiker zeigten Verständnis für Scharpings Unmut und stärkten ihm im Führungsstreit den Rücken.