USA ließen Massaker zu

■ Recherchen der taz ergaben: USA wußten frühzeitig vom bevorstehenden Sturm der Serben auf die UN-Schutzzone Srebrenica. Aufklärungsflugzeuge filmten Exekutionen

Genf (taz) – Die Eroberung der UNO- Schutzzone Srebrenica am 11. Juli durch die Karadžić-Serben hätte verhindert werden können. Die USA waren mindestens drei Wochen vorher im Detail über die von Belgrad gesteuerten Eroberungspläne informiert, verschwiegen dies aber sowohl der UNO wie ihren Nato-Verbündeten. Mit Rücksicht auf ihre Friedensinitiative hält die Clinton-Administration auch umfangreiches Filmmaterial über die der Eroberung folgenden Massenerschießungen Tausender männlicher Bewohner der Enklave unter Verschluß.

Nach der Eroberung der Stadt hatte die Clinton-Administration in den Chor derer eingestimmt, die die seinerzeit in Srebrenica stationierten niederländischen Unprofor-Soldaten sowie den UNO-Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi, für den Fall Srebrenicas verantwortlich machten. Akashi wurde am Dienstag von seinem Posten abgelöst.

Bereits seit geraumer Zeit hört der US- Geheimdienst den Telefon- und Funkverkehr zwischen Serbien und den serbisch kontrollierten Gebieten Bosniens ab. Seit dem 17. Juni, drei Wochen vor der Eroberung Srebrenicas, belauschte der Dienst nach Aussagen von Mitarbeitern fast tägliche Unterredungen zwischen Serbiens Generalstabschef Perićić und dem militärischen Oberbefehlshaber der Karadžić- Serben, General Mladić, in denen der Angriff auf die UNO-Schutzzone geplant wurde. Aus den Abhörprotokollen, die die taz in Auszügen einsehen konnte, geht hervor, daß die Initiative von Belgrad ausging und Perićić auch während der Angriffsoperation auf Srebrenica zwischen dem 6. und 11. Juli der Befehlshaber war. Von ihren über Ostbosnien kreisenden unbemannten Aufklärungsflugzeugen erhielten die USA ebenfalls Wochen vor dem Angriff auf die UNO-Schutzzone Luftaufnahmen von der Massierung bosnisch-serbischer Panzer- und Artillerieeinheiten in einem Umfeld von 20 bis 30 Kilometern um Srebrenica. Diese Massierung erfolgte außerhalb der Sichtweite der in der Stadt stationierten niederländischen Blauhelm-Einheiten, denen später der Vorwurf gemacht wurde, die serbischen Angriffsvorbereitungen ignoriert zu haben. Washington informierte weder die UNO noch die Nato-Verbündeten.

„Die USA haben ein ganz übles Spiel getrieben“, erklärte der taz ein hoher Offizier eines westeuropäischen Nato-Staates verbittert. Der Offizier war im Unprofor- Hauptquartier in Zagreb für die Kommunikation mit den in Srebrenica stationierten Blauhelmsoldaten zuständig.

Darüber hinaus hält Washington Informationen über das Schicksal von rund 8.000 männlichen Bewohnern Srebrenicas zurück, die seit Mitte Juli als vermißt gelten. Die rund um die Uhr laufenden Kameras der unbemannten Aufklärungsflugzeuge filmten zumindest einen Teil der Erschießungen, denen wahrscheinlich rund 3.000 Menschen zum Opfer fielen. Doch bislang legte Washingtons UNO-Botschafterin Albright dem Sicherheitsrat lediglich Fotos vor, die ein frisch gepflügtes Feld bei Srebrenica zeigen, ein mutmaßliches Massengrab. Andreas Zumach

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