Die innere Orange

■ Nicht "digitale Freaks", sondern freundliche Elektro-Wanderer im Schaltkreis: Das Düsseldorfer Ambient-Dub-Duo Mouse On Mars ist mit neuer CD auf Tour

Den seinen gibt's der Herr im Studio: „Ein paarmal, als der kreative Fluß im Studio zu stark anschwoll“, sagt Jan St. Werner, „da haben Andi und ich die Filter immer weiter rein- und die Musik damit allmählich rausgedreht. Wenn du merkst, daß in dir etwas nur noch schrecklich schön am Weitergeben ist, kann es sehr erleichternd sein, ein Stück auf diese Weise zu Ende zu bringen.“ Werner ist die eine Hälfte des Ambient-Dub-Unternehmens Mouse On Mars, und die Rede ist von der Arbeit an der neuen Platte „Iaora Tahiti“. Andi Thoma und Werner leben dann praktisch im Studio – es kommt darauf an, den entscheidenden Moment im Zusammensein mit den Maschinen zu erwischen. Das braucht Geduld.

Die beiden Mittzwanziger mit Arbeitsplatz Düsseldorf sind das freundliche Fallbeispiel einer kreativen Mini-Kadergrupe, die am Mischpult den Unterschied zwischen Irrtümern und kontrolliertem Irrewerden herausarbeitet. Man läßt die Elektronik blubbern, wartet zu, übt das adrenalinöse Rumsitzen.

Das Ergebnis klingt ab und zu anheimelnd und ein paarmal, als wären Ernie, Bert und E.T. gutgelaunt zusammen in den Sampler gestopft worden. Aber immer haben die schichtweise ineinanderfließenden Tracks etwas Halluzinatorisches – ein Effekt, wie er sonst nach Verstreichen einer um das Doppelte verlängerten, drogenlosen Wachphase erlebbar wird.

In solchen Zuständen kann man plötzlich die offensten und doch auch zwingendsten musikalischen Gestaltungsprinzipien entdecken. „Ich bin ein extrem lückenverliebter Mensch“, beschreibt Werner seine Auffassung von rhythmischem An-, Ab- und Drübersetzen. „Wir haben Bänder aufgenommen und anschließend mit Nadeln angekratzt“, ergänzt Thoma. „Wir sind keine großen Digital- Freaks. An sich fassen wir gerne etwas an. Ein Freund von uns, Eric Bernaud, der für Mouse On Mars Videos produziert, ist dazu übergegangen, Filmmaterial direkt zu bedrucken, dem fühlen wir uns nahe“, ergänzt Werner.

Künstlerisches Vorbild solcher Techniken sind die Situationisten, musikalisch erstreckt sich die Ahnengalerie einmal mehr in Richtung Can – aber heiterer, unteutonischer. „Da könnten viele sofort dazu singen, nicht nur die Can-Vokalisten Malcolm Mooney und Damo Suzuki.“ Was den Dub-Anteil angeht, so prägt die Arrangements ein gediegen unstürmisches Voranhopsen. Die Musik wird langsam genug gespielt, um sich einzelne Teile gewissermaßen „ansehen“ zu können. „Wir haben Schichten um Schichten übereinander gelegt. Bei ,Die innere Orange‘, das wir zuletzt aufnahmen, ging es am Ende darum, die Aufmerksamkeit wieder ein wenig herunterzuschrauben. Eine Mischpultbewegung ohne Stück. Arbeit an den Reglern, ohne daß Musik durchläuft. Wir haben gedroppt, gemutet und die Filter gestreichelt.“ „Üppigkeit, die in Bewegung bleibt“, gibt Jan St. Werner als Arbeitsziel an, und Andi Thoma ergänzt: „Es geht auch darum, Vertrauen in das Gerät zu entwickeln, mit dem man arbeitet. Übertragen meint das die Bereitschaft, sich im Studio fesseln zu lassen, die Augen zu schließen und die Maschine machen zu lassen. Um am Ende nur noch zu sagen: ,Das war jetzt aber gut.‘“

Wohl deshalb hört sich die Musik des in England hochgeschätzten Duos nicht nach der Arbeit zweier Maschinensklaven, sondern nach den Launen freundlicher Wanderer im Schaltkreis an. Ab und zu blinzeln sie in die Sonne und malen mit ihrem Digitalgepäck eine Zeichnung in den Magnetstaub. Man sollte ihre Kreise nicht stören. Kristof Schreuf

Mouse On Mars: „Iaora Tahiti“ (Too pure/Rough Trade)

Tourdaten (mit Stereolab): 13. 10. Bielefeld; 15. 10. Berlin; 16. 10. Bochum.